Frank Goosen „Radio Heimat“, 168 Seiten, 14,95 €, Eichborn, ISBN: 978-3821860725;
Der schönste Satz dieser „Geschichten von zuhause“ ist schon fast in die Literaturgeschichte eingegangen: „Ach, woanders is‘ auch scheiße.“ Natürlich stammt diese Lebensweisheit vom Oppa. Frank Goosen, 44, hat eine Liebeserklärung an den Pott geschrieben, witzig und weise. Unbedingt lesen!
Die wenigsten Bücher eignen sich zum Vorlesen. Dieses schon. Und allein das belegt die Qualität der Geschichten, jedenfalls eines großen Teils. Denn in der zweite Hälfte hält der Kabarettist und Autor das Niveau nicht mehr, die Geschichten verflachen mehr und mehr. Schade!
Bis dahin aber geht’s um „Wat“ und „Dat“, um „Furzknoten“ (Kinder) und „Schabracken“ (hässliche Frauen), um oskure Trinkgewohnheiten und bunte Kittelschürzen, kurz um alles, was das Ruhrgebiet ausmacht, jenen Schmelztiegel, der in diesem Jahr sogar zur Kulturhauptstadt Europas ernannt wurde.
Da kommt dieses Selbstfindungsbuch gerade recht. Und Goossen schriebt so lebensnah, dass sich jeder darin wiederfindet – außer vielleicht ein auf dem Dorf zwischen Trachtenverein und Ministrantentum sozialisierter Oberbayer.
„Abba gezz is allet gut“ – auf deutsch „Schwamm drüber – diese Mentalität hilft in allen Lebenslagen, auch bei größeren Kalamitäten. Und auch sonst lässt Goosen kein Klischee aus, ob nun Fußball oder Schrebergarten, und den türkischen Klein-Unternehmer (Dönerbude, was sonst), der den Ausländern klar macht, er habe sie nicht nach Deutschland gerufen.
Selbst wenn der klassische Ruhrpottler da manchmal durchaus etwas minderbemittelt rüberkommt, so fängt Goosen die Leser doch wieder auf der Sympathieschiene ein: Hauptsache menschlich.
Also nochmal: Sehr, sehr witzig geschriebenund (vor allem der erste Teil) sehr gut zum Vorlesen. Meine Frau schlief jedenfalls immer bestens ein.
Einen Abzug gibt’s nur, weil das Niveau nicht gehalten wird.
Bewertung: ****
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