Fred Pearce, „Wenn die Flüsse versiegen“, 400 Seiten, 24,90 €, Kunstmann-Verlag, ISBN: 978-3888974717;
Das Buch ist so aktuell, wie ein Sachbuch nur sein kann: Die aktuelle Diskussion um den laufenden Klimawandel ergänzt der Wissenschaftsjournalist um eine apokalyptische Komponente: den wachsenden Wassermangel und dessen Folgen für zwischenmenschliche und zwischenstaatliche Beziehungen. Merke: Wasser ist wichtiger als (Erd)Öl.
Eine Art neuen KSZE-Prozess, hat im Frühjahr ein wissenschaftliches Expertengremium der Bundesregierung wegen des drohenden „Krieges um das Wasser“ vorgeschlagen. Zur Erinnerung: Der Helsinki-Prozess schuf während des Kalten Krieges in Europa ein Sicherheits-Gleichgewicht.
Was passiert, wenn die Flüsse versiegen? Ohne zu dramatisieren, schildert Pearce Kapitel für Kapitel auf seiner Reise um die Welt alle möglichen Konsequenzen: die Gefahr für die Ernten (Pakistan), das Sterben der Feuchtgebiete (Mekong), drohende Flutkatastrophen (China), mögliche Wasserkriege (Palästina) und versinken Kulturen (Aralsee).
Aber das ist nicht alles: Selbst in unserer Überfluss-Gesellschaft ist Wasser viel wertvoller, als wir gemeinhin glauben. Wer weiß schon, wieviel Süßwasser in unseren täglichen Produkten steckt – so genanntes virtuelles Wasser.
5000 Liter Wasser sind nötig, um ein Kilo Reis zu erzeugen, 11.000 Liter für das Rindfleisch, das in einem Hamburger steckt und sogar 20.000 Liter werden für ein Kilo Kaffeepulver verbraucht. Man mag über solche Zahlen streiten, sie zeigen aber eins: Ohne Öl können wir überleben, ohne Wasser auf keinen Fall.
Pearce schildert all dies sachlich-nüchtern, ohne zu dramatisieren. Das gilt auch für seine Ursachenforschung, wenn zum Beispiel durch übermäßige Bewässerung von Baumwollplantagen nicht nur Flüsse leer laufen, sondern auch die Böden versalzen und für die Landwirtschaft unbrauchbar werden.
Der Klimawandel verstärkt diese Tendenzen noch: In regenarmen Gebieten verstärkt sich die Trockenheit in regenarmen Gebieten, in regenreichen Regionen steigt die Gefahr von Überschwemmungen.
Flüsse wie der Gelbe Fluss in China oder der Jordan auf der Sinai-Halbinsel münden nur noch auf den Atlanten ins Meer. In der Wirklichkeit versiegen sie lange vorher. In der Trockenzeit schaffen es auch der Euphrat, Tigris und Indus nicht mehr bis zu ihrem Delta.
Das ist alles weit weg, wird mancher Leser sagen. Nicht doch: Bei uns droht Ähnliches. Das Schmelzen der Alpengletscher ist der Vorbote. Bislang pufferten sie und sorgten für gleichmäßigen Wasserabfluss. Fehlen die Gletscher, wird es dazu kommen, dass wir Flüsse wie den Rhein im Sommer zu Fuß überqueren. Dann wird er nicht mehr schiffbar und im Wesentlichen nur noch aus Kläranlagen-Abläufen genährt sein.
Ein spannendes, ein wichtiges Buch.
Bewertung: *****
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