Der erhobene Zeigefinger auf die glatten Oberflächen

Adam Soboczynski „Glänzende Zeiten: Fast ein Roman“, 224 Seiten, 16,95 €, Aufbau, ISBN: 978-3351033200;

Und wieder ein Journalist, der sich ans große Format traut. Es ist der Bildungsbürger, der geschniegelte, hedonistische Großstädter, an den sich Adam Soboczynski, preisgekrönter Feuilletonredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“ herangemacht hat, der eigene Leser also irgendwie. Nur sollte man nicht den Fehler machen, den Ich-Erzähler, der sich in 29 Kapiteln über Themen wie „Stolz“, „Rauchen“ und „Magie“ seine Gedanken gemacht hat, mit dem Autor zu verwechseln. „Fast ein Roman“ ist eine Betrachtung.

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Zu spät für wirkliche Veränderungen

Signe von Scanzoni „Als ich noch lebte – Ein Bericht über Erika Mann“, 243 Seiten, 22 €, Wallstein, ISBN: 978-3835307650;

Eiegentlich hatte dieses Buch nie erscheinen sollen. Noch 1998, vier Jahre vor ihrem Tod, hatte  Signe von Scanzoni, die langjährige Lebensgefährtin Erika Manns, die Herausgeberin Irmela von der Lühe wissen lassen, sie habe das 1970 fertig gestellte Manuskript vernichtet. Umso besser, dass sich in den letzten Jahren zwei Abschriften fanden, die die Grundlage für dieses erschütternde Buch einer Liebe zwischen zwei aus verschiedenen Welten kommenden Frauen waren.

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Erzogen zur Gewalt

Martín Kohan „Sittenlehre“, 247 Seiten, 19,90 €, Suhrkamp, ISBN: 978-3518421826;

Argentinien war vorigen Herbst Gastland der Frankfurter Buchmesse, und dies hatte, wie schon in den Jahren zuvor, den erfreulichen Aspekt, dass Autoren in den (deutschen) Blickpunkt rückten, die bis dato kaum bekannt waren, so wie MartinKohan, Jahrgang 1967, der die unmenschlichen Verhältnisse in einem Elitegymnasium Anfang der 80er Jahre in Buenos Aires beschreibt.

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Wirklich nur ein Strohfeuer

Sascha Lobo „Strohfeuer“, 288 Seiten, 18,95 €, Rowohlt, ISBN: 978-3871346781;

Der Typ provoziert und das nicht nur wegen seiner roten Irokesenmähne. Sascha Lobo, selbst ernannter Vordenker der Internet-Generation und aufgrund seiner klaren Aussprache gern gesehener Gast auf Tagungen zum Journalismus und zu neuen Medien, hat einen Roman geschrieben. Aber den hätte er sich, ehrlich gesagt, auch sparen können. Ein typischer Erfahrungsbericht von einem, der für die kurze These taugt, aber nicht für einen auf 300 Seiten quälend ausgedehnten Spannungsaufbau. Schade, so gerne ich Lobo manchmal höre, „Strohfeuer“ muss man nicht gelesen haben.

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Wie die älteste Bibel-Handschrift zum Zaren kam

Jürgen Gottschlich „Die Bibeljäger“, 224 Seiten, 19,90 €, C.H. Links, ISBN: 978-3861535942;

Die spannendsten Geschichten haben sich tatsächlich ereignet. Jürgen Gottschlich, taz-Korrespondent in Istanbul und ein ausgezeichneter Kenner des Nahen Ostens, hat sich in seinem neuesten Buch auf die Fährte  des Leipziger Bibelforschers Konstantin von Tischendorf gesetzt. Der fand nämlich im 19. Jahrhundert im Katharinenkloster in nder Wüste Sinai einen Kodex, der bis heute als die älteste Fassung des Neuen Testaments gilt.

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Rein in die Lumpen, raus aus den Lumpen

Roberto Bolano „Lumpenroman“, 109 Seiten, 14,90 €, Hanser, ISBN: 978-3446235465;

Weltberühmt wurde der in Spanien lebende Exil-Chilene Roberto Bolano erst vor ein paar Jahren neben seinem Tod. Der fulminante Roman „2666“ erregte großes Aufsehen. Mit dem „Lumpenroman“ veröffentliche der Hanser-Verlag vorigen Herbst posthum ein weiteres Stück des Meister-Autors.

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Das Unaussprechliche wird enttabusiert

Drago Jancar „Der Baum ohne Namen“, 280 Seiten, 22,90 €, Folio, ISBN: 978-3852565279;

Der Archivar Janez Lipnik hat in seiner Jugend viel Schlimmes erlebt, vor allem den Vater, der als gebrochener Mann aus dem Konzentrationslager zurückgekehrt war. Dazu viel Gewalt im vom Faschismus und dem anschließenden Antifaschismus tief gespaltenen Slowenien. Und  als Lipnik im Alter von 60 auf die Memoiren eines verstorbenen Mannes stößt, der sein Glück nach dem Krieg in Australien suchte und mit „Women of my Life“ eine Chronik seines reichhaltigen Liebesleben schuf, schickt es ihn wieder zurück ins Chaod der Kindertage.

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Die zerstörerische Kraft der Liebe

Tilman Spreckelsen (Hrsg.) „Königskinder“, 284 Seiten, 16,95 €, Galiani, ISBN: 978-3869710129;

Dies ist eines dieser Bücher, die nicht sein müssen, aber gut tun. „Herzzerbrechende Liebesgeschichten“, so der Untertitel, hat der Literaturwissenschaftler und FAZ-Rezensent in diesem feuerroten Sammelband zusammengefasst und dabei bekannte und unbekannte Autoren gewürdigt, von Goethe bis James Krüss.

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Der Aufbruch in den goldenen Westen

Kurt Andersen „Neuland“, 896 Seiten, 26,95 €, Blessing, ISBN: 978-3896673541;

Wir schreiben das Jahr 1848. In Europa ist Revolution, und auch in der Neuen Welt geht die Post ab: Ein Dampfer nach dem anderen entlässt im Einwandererhafen von New York Flüchtlinge, Siedler und Hasardeure in das verheißungsvolle Amerika. Zu denen, die ihr Glück suchen, gehört der junge Benjamin Knowles, ein britischer Adeliger, der vor revolutionären Umtrieben in Paris geflohen ist.

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Die muslimischen Frauen sind längst angekommen

Sineb El Masrar „Muslim Girls- Wer wir sind, wie wir leben“, 192 Seiten, 14,95 €, Eichborn, ISBN: 978-3821865331;

Zum richtigen Zeitpunkt ist dieses Buch erschienen, kurz nachdem Sarrazin fürchtete, „Deutschland schafft sich ab“ und bevor der frisch gebackene Bundesinnenminister Friedrich (CSU) behauptete, der Islam gehört nicht zu Deutschland (was er kurz danach wieder relativierte). Sineb El Masrar, 1981 als Tochter marrokanischer Einwanderer in Deutschland geboren, und Mitglied der Integrationskonferenz von Maria Böhmer, räumt auf mit Vorurteilen über muslimische Frauen in Deutschland.

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