Das Überschreiten auch der letzten Tabus

Tova Reich „Mein Holocaust“, 331 Seiten, 21,95 €, DVA, ISBN: 978-3421043696;

Vor über zwölf Jahren wurde in Auschwitz heftig diskutiert, ob es die Würde der Gedenkstätte schändet, wenn vis-à-vis ein Supermarkt gebaut wird (siehe Spiegel). Die Amerikanerin Tova Reich hat dem Irrsinn nun noch einen draufgesetzt: „Mein Holocaust“ überschreitet alle Tabus, manche meinen auch die Grenzen des guten Geschmacks.

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Der Untergang des unbekannten Nachbarlands

Uwe Tellkamp „Der Turm – Geschichte aus einem versunkenen Land“, 976 Seiten, 24,80 €, Suhrkamp, ISBN: 978-3518420201;

Was soll man über dieses Buch noch schreiben? Es ist der beste Roman des Jahres, wie die Jury des Deutschen Buchpreises befand. Kritiker lobten das 100o-Seiten-Werk als „neues Buddenbrooks“, als „den Roman der DDR“, den Wenderoman. Beeindruckend ist vor allem die langsame, fast bedächtige Erzählweise – fast schon ein Anachronismus für unsere heutige Zeit.

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Georg, der Zierfisch, und das pralle Leben

Robert Seethaler „Die weiteren Aussichten“, 316 Seiten, 19,90 €, Kein & Aber, ISBN: 978-3036955254;

Mit Herbert S. wollte schon im Kindergarten niemand spielen. Er hatte immer schwitzige, Hände, bewegte sich ungelenkt und trug so eine merkwürdige Mütze. Als er 27 ist, da hat er nur noch einen Freund, einen  Goldfisch. Da begegnet ihm Hilde, etwas dick, etwas schweigsam, aber total verliebt in Herbert, den Schlacks.

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Über Fleischeslust, Mauerfall und die Liebe

Ingo Schulze „Adam und Evelyn“ , 304 Seiten, 18 €, Berlin, ISBN: 978-3827008107;

Für Evelyn würde Adam bis ans Ende der Welt reisen. Und doch verguckt sich der Schneidermeister (wieder mal) in eins seiner Geschöpfe – blöderweise wird er erwischt. Evelyn haut ab nach Ungarn, mit dem Westcousin einer Freundin, und Adam hinterher. Ein amüsanter Roman über Liebe im Osten, die Mauer und deren Öffnung und das bürgerliche Leben schlechthin.

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Vom Schmerz des Zusichfindens

Christina Friedrich „Morgen muss ich fort von hier“, 192 Seiten, 17,90 €, C. H. Beck, ISBN: 978-3406576904;

Debütroman, das klingt nach einer jungen Autorin, die gerade ihren Uniabschluss geschafft hat und sich jetzt im Schreiben übt. „Morgen muss ich fort von hier“ ist ganz anders, es ist das Werk einer erwachsenen Frau – voll Weltschmerz, Trauer, Enttäuschung, aber auch voller Liebe.

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Mutter-Tochter-Konflikt markiert den Bruch der Gesellschaft

Maria Barbal „Inneres Land“, 401 Seiten, 22,80 €, Transit, ISBN: 978-3887472337;

Oh dieses Bild, dieses unendliche traurige Mädchen, wie sie dasitzt mit ihrer roten Blume. „Keine einzige Freude konnte dich jemals glücklich machen“, ist der erste Satz von „Inneres Land“, diesem tief traurigen Roman, der uns zurückversetzt in das Spanien des Diktators Franco.

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Im Fremdland ist die gleiche Hölle

James Meek „Fremdland“, 335 Seiten, 19,90 €, Fahrenheit, ISBN: 978-3940813114;

In Afghanistan sterben mehr Menschen als im Irak. Jeden Tag gibt es tote Soldaten – Amerikaner, Engländer, Deutsche. Die Literatur hat diesen Krieg bisher nicht entdeckt – außer James Meek. Der hoch gelobte Roman des früheren Kriegsreporters  ist ein gelungener Coup für den jungen Verlag Fahrenheit.

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Von der Sinnlosigkeit des Unvollkommenen

Cesare Pavese „Die einsamen Frauen“, 208 Seiten, 19,90 €, Claassen, ISBN: 978-3546004381;

„Bitterer Reis“ ist einer der berühmtesten Filme der italienischen Nachkriegszeit, ein Zeitdokument, dass Hunger, Armut und Ausbeutung im ländlichen Nachkriegs-Italien eindrucksvoll darstellt. „Die einsamen Frauen“ ist das literarische Gegenstück dazu. Autor Cesare Pavese wäre im September 100 Jahre alt geworden. Die Neuausgabe dieses 1949 veröffentlichten Romans ist ein perfektes Vermächtnis.

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Dem Leben auf die Schippe gesprungen

Hans Pleschinski „Ludwigshöhe“, 560 Seiten, 24,90 €, C. H. Beck, ISBN: 978-3406576898;

„Der letzte Wille, ein Donnerschlag. War das Machwerk unter dem Einfluss von Medikamenten verfasst worden?“ In der Tat, das Erbe der drei finanziell klammen Geschwister hat’s in sich. Eine Villa auf der Ludwigshöhe am Starnberger See gehört ihnen, wenn sie dort ein Heim für Lebensmüde aufmachen. Rasant, komisch, tragisch – ein Spiegel unserer Gesellschaft.

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Vor der Selbsterkenntnis kommt der Schmerz

Anne Enright „Das Familientreffen“, 330 Seiten, 19,95 €, DVA, ISBN: 978-3421043702;

So stellt man sich Irland vor: Schwermütig, depressiv, aber auch hintergründig und komisch. Als sich Veronicas Familie nach dem Selbstmord von Bruder Liam trifft, brechen all die alten, mühsam unter der Decke gehaltenen Konflikte wieder durch. Ein Buch wie ein Vulkan – und zurecht dem englischer „Booker-Preis“ ausgezeichnet.

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