Die Zeit am Fenster, vergangen und noch nicht

Richard Obermayr „Das Fenster“, 24 €, 298 Seiten, Jung und Jung, ISBN: 978-3902497703;

Es ist, was es ist – oder doch nicht. Ist wahr, was wir glauben, dass wahr ist. Und was ist die Zeit wirklich? In diesem kunstvollen, sprachgewaltigen Roman gibt es zwar keine Handlung, aber einen Ich-Erzähler, einen Schuss, eine Mutter, die aus dem Fenster sieht und Klavier spielt und deren Mann, den Vater.

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Auf der Suchen nach dem Guten im Bösen

Helen FitzGerald „Furchtbar lieb“, 256 Seiten, 14,95 €, Galiani Berlin, ISBN: 978-3538072718;

Helen FitzGerald kennt das Böse: Die nach Schottland ausgewanderte Australierin war zehn Jahre Bewährungsgelferin und Sozialarbeiterin und arbeitete mit Sexualstraftätern, während diese in Haft saßen. Sie weiß aber auch Bescheid über das Gute. Das hat sie nämlich in ihrem Job versucht zu locken. Und so ist ihr aberwitziger Debütroman „Furchtbar lieb“ eine Achterbahnfahrt durchs Leben.

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Der einzige Dichter, der Stalin widerstand

Robert Littell „Das Stalin-Epigramm“, 400 Seiten, 22 €, Arche, ISBN: 978-3716026229;

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Was kommt heraus, wen ein Thrillerautor eine historisch verbürgte Geschichte schreibt. Real Fiction? So kann man wohl seine Interpretation der letzten vier Lebensjahre des russischen Schriftstellers Ossip Mandelstam (1891 bis 1938), der wie so viele Berufskollegen und Intellektuellen Opfer der „Großen Säuberungen“  Stalins wurde. Im Unterschied zu den meisten hatte er den Diktator  allerdings persönlich provoziert.

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Zar Stalin muss sehr verärgert gewesen sein

Leonid Dobycin „Die Stadt N.“, 226 Seiten, 22,50 €, Friedenauer Presse, ISBN: 978-3932109614;

Literatur-Nobelpreisträger Joseph Brodsky nannte Leonid Dobycin einmal den bedeutendsten russischen Prosa-Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Dumm nur, dass bis vor wenigen Jahren den 1936 unter Stalin auf ungeklärte Weise umgekommenen Autoren bisher kaum einer kannte. Der kleine, aber sehr, sehr erlesene Verlag Friedenauer Presse hat dies geändert. Vor wenigen Monaten erschien Dobycins Hauptwerk „Die Stadt N.“ auf Deutsch (die erste Herausgabe bei S. Fischer von 1989 ist längst vergriffen) – und wurde von den Feuilletons ausgiebig gefeiert.

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Oh wie schwach sind doch die Mittvierziger

Katharina Hacker „Alix, Anton und die anderen“, 125 Seiten, 19,80 €, Suhrkamp, ISBN: 978-3518421277;

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Katharina Hackers vor vier Jahren mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneter Roman „Die Habenichtse“ faszinierte mich in der Sterilität und Kargheit Nun ist ihr Nachfolger da ( Teil eines Zyklus, dessen Fortsetzungen nach Hackers Trennung nun im Fischer-Verlag erscheinen). Und wieder geht es um Menschen in einer schwierigen Lebensphase.

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Mit 65 ist noch lange nicht alles vorbei

Ilse Helbich „Das Haus“, 140 Seiten, 18 €, Droschl Literaturverlag, ISBN: 978-3854207627;

In diesem Buch steckt die Weisheit eines langen, erfüllten Lebens. Die 87-jährige Ilse Helbich, die erst vor ein paar Jahren mit dem literarischen Schreiben begann, plädiert an die Unvernunft des Alters, zu wagen, was möglich ist, was das Herz einem ansagt.

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Hinter jeder Serie steckt die Angst zu scheitern

Franz Dobler „Aufräumen“, 208 Seiten, 17,90 €, Antje Kunstmann, ISBN: 978-3888975073 (als bvt-Taschenbuch, 8,95 €);

Dpobler

Nicht mehr ganz neu, der (vor zwei Jahren erschienene) neue Franz Dobler, aber immer eine Empfehlung wert. Der Titel ist Programm: Aufräumen, also sein Leben aufräumen, das will Beat, ein Mann am Rande der Gesellschaft. Er hat die Schnauze voll, er will raus, er weiß nur nicht wie.

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Am deutschen Holz soll Afrika genesen

Thomas von Steinaecker „Schutzgebiet“, 384 Seiten, 19,90 €, Frankfurter Verlagsanstalt, ISBN: 978-3627001605;

Schutzgebiet

Literatur ist die Darstellung einer erfundenen Geschichte, um ein real existierendes Problem pointiert darzustellen. Ist da so? Klingt nach Deutschlehrer? Aber womöglich würde Thomas von Steinaecker das unterschreiben. Der Schriftsteller hat eine afrikanische Kolonie erfunden und erzählt eine amüsante Geschichte, die als Räuberpistole gelesen werden kann, aber auch als Analogie zur jüngsten Wirtschaftskrise.

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Nach dem Blackout tanzen nur noch die Ratten

Michael Tietz „Rattentanz“, 840 Seiten, 22,80 €, Bookspot, ISBN: 978-3937357379;

Rattentanz

Ein Thriller aus Deutschland. Das erste Buch eines Krankenpflegers aus dem Südschwarzwald. Erschienen in einem kleinen Münchner Verlag namens Bookspot. Geht das überhaupt? Ja, es geht. Nur ein Beispiel: In der Kategorie“ Bücher aus dem Schwarzwald“ hat „Rattentanz“ bei Versandhändler Amazon alle anderen Neuerscheinungen glatt überrundet.

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„Short Cuts“ durchs New York der 1970er

Colum McCann „Die große Welt“, 537 Seiten, 19,90 €, Rowohlt, ISBN: 978-3498045111;

McCann

Der aktuell größte New-York-Autor ist ein Zugereister, der in Irland geborene Colum McCann. Er führt uns zurück ins Jahr 1974, als die Welt noch in Ordnung war: Ost und West, Gut und Böse, und auch die Zwillingstürme des World Trade Centers standen noch – ein Symbol der „freien Welt“. Und genau dort hat der französische Hochseilartist Philippe Petit sein Seil gespannt.

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