Das Netz, Bedrohung und Herausforderung

Nicholas Carr „Wer bin ich, wenn ich online bin …“, 384 Seiten, 19,95 €, Blessing, ISBN: 978-3896674289;

Kai Hinrich Renner/Tim Renner „Digital ist besser“, 246 Seiten, 22 €, Campus, ISBN: 978-3593392080;

Das Netz ist inzwischen alles: Hier pflegen wir soziale Kontakte, tauschen uns also mit anderen Menschen aus, wir kaufen ein, wir organisieren unsere Freizeit und verbingen einen Großteil unserer Freizeit. Dass die digitale Revolution, die unser Leben in den vergangenen 15 Jahren extrem verändert hat, nicht ohne Folgen auf uns Menschen bleibt, ist klar. Zwei neue Bücher dazu:

FAZ-Herausgeber und Bestsellerautor Frank Schirrmacher hatte schon im vorigen Jahr seine Skepsis und persönliche Überforderung formuliert, in dem Buch „Payback“. Kein Wunder, dass der Web-Skeptiker nun Nicholas Carr ein Vorwort schreiben durfte.

Er nennt Carr einen Aufklärer und erinnert an dessen bekannten Artikel „Macht uns Google dumm?“ Der amerikanische Journalist, der sich seit vielen Jahren mit den Folgen des Internets auseinandersetzt, beschreibt die neurologischen Folgen der täglichen Internetdosis. Das Denken wird träger, das Lesen oberflächlicher. Kurzum: Wir werden dümmer.

Auch so hätte der amerikanische Journalist sein Buch – verkaufsfördernd – überschreiben können. Dass er dies nicht getan hat, ist auch ein Indiz, dass er tatsächlich intensiv nachgefragt hat. Gefährlich ist denn auch nicht das Internet, sondern unser Umgang mit dieser neuen Art von allgegenwärtigen Kommunikation, die uns keine Zeit des Ausruhen lässts, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.

Weil wir ständig hin und her switchen, zwischen Smartphone, Laptop und wahrer Welt, konzentrieren wir uns nicht mehr richtig. Die Informationen werden im Kurzzeitgedächtnis abgearbeitet, ohne je vom Langzeitgedächtnis registriert zu werden. Wir vergessen das einfach alles. Seneca, römischer aus der Vor-Internetzeit formulierte das einst so: “Nirgendwo ist der, der überall ist.”

Was also tun? Kehren Sie doch ab und an zurück in die analoge Welt und lesen Sie ein Buch, etwas dieses.

Einen ganz anderen Ansatz haben der Journalist Kai-Hinrich Renner und sein Bruder, der Musikproduzent Tim Renner. Sie analysieren die gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung: „Es wird dabei Verlierer geben – und zwar nicht zu knapp.“

Die beiden Medienleute lassen die vergangenen 40 Jahre Revue passieren, anhand ihrer eigenen Laufbahn – eine interessante Perspektive. Zu jenen, für das Netz vor allem Wandel und Gefahren mit sich bringt, gehören natürlich die Renners selber. „Dass Politiker, Boulevardzeitungen und Großfeuilletonisten gegen das Internet Stimmung machen, ist aus deren Sicht durchaus verständlich. Das Netz ist im Begriff, ihnen ihre Deutungshoheit zu entreißen.“

Sehr analytisch, mitunter zugespitzt beschreiben die beiden Brüder die Entwicklung des Internets. Es geht um nie gekannte weltweite Oligopole wie Google und Apple. Aber auch deren Drohpotenzial ist dem Grund nach virtuell: Es liegt immer am Nutzer, was aus dem Internet wird.

Bewertung für beide Bücher: *****

 


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