Großformatige Nähe

Jim Rakete „1/8 Sekunde – Vertraute Fremde“, 272 Seiten, 68 €, Schirmer-Mosel, ISBN: 978-3829602969;

Er ist ein Fossil in einer sich schnell ändernden Welt. Jim Rakete, 47-jähriger Fotograf in Berlin, hat in den vergangenen 30 Jahren jeden porträtiert, der in dieser Republik prominent ist oder scheint. Und immer analog. Bis heute rührt Rakete kein dialoges Material an. Er vermisse „die Wechselwirkung von Standpunkt und Geschmack“.

Wahrhaftigkeit und Authenzität will Rakete erzielen, wenn er Männer und Frauen vor die Linsen seiner uralten Linhoff-Großbildkamera bittet. Kein Detail, kein Schattenzug, der dieser Kamera entgeht. Und wenn dann noch so ein hervorragender Verlag wie Schirmer/Mosel die Schwarz-Weiß-Fotos in einem prächtigen Bildband zusammenfügt, dann kommt so etwas wie das Vermächtnis von Rakete heraus oder auch das Vermächtnis dieser Republik.

68 Euro kostet der Kilo schwere Wälzer, ein Buch fürs Leben, zum Durchblättern und immer wieder Anschauen. Und man entdeckt Seiten der Stars, die sie verletztlich, gefühlvoll machen und in der Flüchtigkeit des Films nicht zu entdecken sind.

Eine Achtelsekunde ist die Belichtungszeit für die Linhof (daher der Titel). Verhältnismäßig lang ist das und erfordert vom Fotografen und vom Porträtierten viel Konzentration. Das produziert auch diese einzigartige Nähe, die Rakete so über die meisten seiner Kollegen erhebt.

In einem NDR-Interview hat Rakete erzählt, wie seine Bilder entstehen: „Ich habe also beispielsweise auf dem Bild von Julia Jentsch, da haben wir an einem See gestanden in Brandenburg und hatten eine Belichtungszeit von einer Sekunde oder zwei Sekunden sogar ermittelt, wodurch der Wind der in Ihrem Haar spielt das Haar so unscharf macht als wenn’s ne Wasserwelle is. Und das sind so Sachen, die schenkt einem diese lange Verschlusszeit, das immer was schief geht.“

Unnötig aufzulisten, wenn er nicht porträtiert hat. Der wäre dann auch nicht prominent. Rakete gehört einer aussterbenden Spezies an. Der Film, das weiß er auch, wird über kurz oder lang mit der digitalen Fotografie verschmelzen.

Dann werden Jim Raketes Bilder noch besser. „Ein gutes Bild ist eines, das einen berührt – ein großes Bild ist eines, über das man nachdenkt“, hat er mal gesagt. Großartige Fotos gibt es in diesem Buch Seite für Seite.

Bewertung: *****

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