1700 Jahre Juden prägten Istanbul

Oksan Svastics „Jüdisches Istanbul“, 211 Seiten, 19,90 €, Mandelbaum, ISBN: 978-3854763291;

Von jüdisch-christlichen Werten ist zurzeit die Rede, wenn die Islamophoben wieder mal die deutsche Leitkultur verteidigen müssen. Istanbul hat eine uralte jüdisch-christliche-islamische Leitkultur. Die jüdische ist nicht so offensichtlich, aber sie lebt. Das zeigt dieser hochinteressante Reiseführer.

Die in Ankara geborene und heute in Wien lebende Journalistin Oksan Svastics, musste tief graben, um die jüdischen Spuren ans Licht zu holen und im historischen Kontext einzuordnen. Tatsache ist, dass das frühere Konstantinopel und noch ältere Byzanz über Jahrhunderte eine der wichtigsten jüdischen Gemeinden in der Diaspora war.

Aus ganz Europa kamen Verfolgte an den Bosporus, von den bis zu 40.000 Sepharden in Spanien und Portugal vor gut 500 Jahren bis zu deutschen Juden, die in den 30er Jahren vor den Nazis flüchteten, darunter als einer der berühmtesten der spätere Berliner Oberbürgermeister Edzart Ernst Reuter.

Am besten ging es den Istanbuler Juden im Osmanischen Reich, also unter muslimischer Herrschaft. Unter den Christen zuvor mussten sie Verfolgungen erleiden und auch nach der Gründung der Türkei wurde ihre Lage wieder schwieriger. Viele wanderten damals aus oder wurden vertrieben, sie teilten das Schicksal von Armenier und Griechen.

Inzwischen leben sie unauffällig in dieser Vielvölker-Metropole. Ungefähr 21.000 Juden soll es in Istanbul geben. Von ihrem aktiven Leben zeugen Synagogen, Friedhöfe und andere Einrichtungen. Allzu tief konnte Svastics allerdings nicht vordringen – dafür sind die Ängste der Menschen zu groß.

Aber es geht hier ja auch weniger um Politik als um einen Reiseführer. Und diesen Zweck erfüllt das handliche Paperback sehr gut. „Jüdisches Istanbul“ ist der achte derartige Reiseführer, der eine Wanderung durch 1700 Jahre Geschichte unternimmt und gleichzeitig existierende Stadtviertel durchstreift auf den Spuren der jüdischen Kultur.

Ein Geheimtipp!

Bewertung: ****

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4 Gedanken zu „1700 Jahre Juden prägten Istanbul

  1. sehr interessant, und wie es der Zufall will, habe ich gestern im Radio gehört (soweit ich weiss, war der Mann Rabbiner), dass der Islam mehr Gemeinsamkeiten mit dem Judentum aufweist, als das Christentum.
    Kaum zu glauben!

    Viele liebe Grüsse!

    Renée

  2. Klingt wirklich sehr interessant.
    Aber Du meinst sicher Ernst Reuter. Der war Berliner Oberbürgermeister. Edzard ist sein Sohn, der war Daimler-Chef.
    Ende der schwäbischen Klugscheißerei.
    Sei herzlich gegrüßt!

  3. Tim, Du hast natürlich Recht. Aber Du musst es ja als Sindelfinger Lokalredakteur auch wissen. Danke für den Hinweis. Und Grüße zurück.

    Nächste Woche bin ich ja zusammen mit Deinem Wein trinkenden und Rennauto fahrenden Teilzeit-Chef ganz in der Nähe, in Waiiiblinge.

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