Der Außenseiter hat keine Chance

Tristan Egolf „Kornwolf“, 430 Seiten, 26,80 €, Suhrkamp, ISBN: 978-3518420751;

Manche Künstler macht der Suizid unsterblich. Man denke an Kurt Cobain oder David Foster Wallace. Für den amerikanischen Schriftsteller und Musiker Tristan Egolf trifft das wohl nicht zu. Er hatte seinen Durchbruch noch nicht geschafft, als er sich 2005 erschoss. Schade:  „Kornwolf“, sein dritter, posthum auf deutsch erschienener Roman, verrät großes Potenzial.

Die Legende vom Werwolf, der dereinst auch als Kornwolf bezeichnet wurde, ist des Autors Vehikel, um das Leben eines amerikanischen Außenseiters nachzuzeichnen. Ephrahim, Halbwaise und in Gesicht und Figur entstellt, wächst bei den Amish-People, einer Sekte, die die Bibel im ursprünglichen Sinn lebt und jede Modernität ablehnt.

Da sollte man meinen, dass sie Ephrahim schon aus Gründen der Nächstenliebe schützen und ihm eine Zuflucht bieten würden. Weit gefehlt. Auch in dieser komplexbehafteten Gesellschaft hat der Junge keine Chance. Während die Mehrheitsgesellschaft Ephrahim begafft und als Monstrum verachtet, halten ihn die eigenen Leute für „verflucht“, sein Vater schlägt ihn bei jeder Gelegenheit.

Der junge Mann übt Rache: Als „Teufel von Blue Ball“ geht er auf raubzüge und versetzt die Leute in Stepford/Pennsylvania in Angst und Schrecken. Der Journalist Owen Brynmore, auch so eine gebrochene Gestalt, recherchiert die geschichte des „Werwolfs“ und deren lange zurückliegende Hintergründe.

Unglaubliche Wut klingt aus dem rasanten Roman, einer verschriftlichten Variante eines Tarantino-Splattermovies. „In den ersten fünf, sechs Jahren meiner Schulzeit gab es keinen einzigen Tag, an dem ich nicht am liebsten eine Bombe auf den Laden geworfen hätte“, bekannte der Schriftsteller vor zehn Jahren in einem Interview. Der ehemalige Punkmusiker ist übrigens in Pennsylvania gestorben.

Ein Vermächtnis, das sehr beeindruckt.

Bewertung: *****

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