Gerbrand Bakker „Juni“, 303 Seiten, 19,80 €, Suhrkamp, ISBN: 978-3518421390;
Unser Nachbarland Niederlande befindet sich eigentlich nicht in unserem Fokus. Okay, wenn die Fußball-WM stattfindet oder auch über die Freigabe von Haschisch diskutiert wird oder – ganz aktuell – über fremdenfeindliche Exzesse und einen blonden Rechtspopulisten namens Geert Wilders. Aber wie ist Holland wirklich? Gerbrand Bakkers erzählt es.
Es geht um die Geschichte der Bauersfamilie Kaan, die hier in Episoden, Mosaiksteinchen gleich, erzählt wird: Anna und ihr Mann Zeeger, die gerade Goldene Hochzeit feierten und drei Söhne haben, Klaas, Jan und Johan.
Der 17. Juni 1969 war’s der dem zweiten Roman von Bakker zum Titel verhalf. An diesem 17. Juni ist die 2004 gestorbene niederländische Königin Juliana unterwegs im Norden ihres Landes und kommt auch in das Dorf Slootdorp, in dem die Kaans leben. Der Trubel ist groß, Fähnchen schwingende Niederländer und mittendrin Anna mit ihrer kleinen Tochter auf dem Arm. Die Regentin spricht mit ihr, sie spricht sie mit „Gnädige Frau“ an – und vergisst die Begegnung ein Leben lang nicht.
Denn das war’s auch. Gerbrand Bakker schildert in ausdauernder Langsamkeit die Ödnis der niederländischen Tiefebene. Endlose Felder, wenig Menschen. 40 Jahre ist es her, dass Anna und die Königin miteinander sprachen. Bitterkeit und Einsamkeit erfüllen sie. Wenn sie sich selbst spüren will, zieht sie sich auf den Dachboden des alten Bauernhofs zurück, mit Keksen und Eierlikör.
Der 17. Juni 1969 ist ein trauriger Tag für Anna: Zwar kam die Königin zu Besuch, aber an diesem Tag starb auch ihr Kind, ihr einziges Mädchen.
In großartiger Tiefe beschreibt Bakker die Sprachlosigkeit der alten Frau, die die Welt um sie hasst, ja, nicht einmal für ihre Enkeltochter hat sie ein gutes Wort. Ein intensives Werk, auf das man sich einlassen muss – und das überall spielen könnte, nicht nur in Holland.
Bewertung: *****