Annika Reich „Durch den Wind“, 320 Seiten, 19,90 €, Hanser, ISBN: 978-3446235137;
Nicht mehr jung und doch noch nicht richtig erwachsen, viele Mittdreißiger stecken in so einer Art präadolescenter Krise: Jetzt wird’s ernst, jetzt muss man sich festlegen, die Zeit der Unbekümmertheit ist vorbei. Annika Reich, 37, erzählt von vier Frauen in Berlin. Sie sind tatsächlich – „voll durch den Wind“.
Da ist Friederike, kreativ und begabt, die sich nichts sehnlicher wünscht als ein Kind und den passenden Partner dazu. Siri hingegen hat sich mit ihrem Mann auseinandergelebt. Alison wiederum sucht Orientierung, und Yoko läuft der wahren Liebe davon, in dem sie jede Nacht mit einem anderen das Bett teilt. Und so liegen die Selbstfindungsfragen von Anfang an offen da: Sex oder Liebe, Kind oder kein Kind, fester Partner oder nicht.
Nicht mehr jung, aber noch lange nicht alt- wo stehen eigentlich Frauen Mitte 30 in dieser Gesellschaft? Annika Reich hat einen Berlin-Roman geschrieben und ihn mit einer Frauen-Geschichte verknüpft. Auch wenn es den Frauen anderswo ähnlich gehen mag, die fast unbeschränkten Möglichkeiten der Metropole verschärfen die inneren Konflikte noch zusätzlich.
„Man kann das Herz nur größer machen, indem man es zerreißt“, so lautet einer der wichtigsten Sätze dieses Romans. Nein, es ist nicht der kleine Prinz, der zu uns spricht, sondern die Japanerin Yoko. „Warum doppelte sich alles, wenn man in der Mitte des Lebens angekommen war? War das ein Zufall, ein Versehen oder ein Hinweis, dass die Zeit, die bis dahin vor einem hergestürmt war, als könnte man sie niemals einholen, nun ablief?“
Nur die Einsamkeit zählt. Und die Nerven liegen blank, angesichts all der Missverständnisse und Missdeutungen. Kaum jemand findet den anderen, jede der vier Frauen kennt nur sich selbst und die noch nicht einmal richtig. Denn was bleibt, ist die Sprachlosigkeit und die unvollendete Suche nach dem Märchenland des Mittelalters – und wenn es nur das von Annika Reich ist.
Traurig, welche Verschwendung weiblicher Kraft und Intelligenz!
Bewertung: ****
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