Freddy Langer „Olaf Otto Becker: Above Zero“, 160 Seiten, 58 €, Hatje Cantz, ISBN: 978-3775724371;
Zwei Lehren drängen sich geradezu auf: Der Klimawandel ist voll im Gange, und Eis ist nicht weiß. „Above Zero“, also „über Null“ (Grad), heißt ein beeindruckender Fotoband über Grönland. Sie sind Zeugnis einer Expedition des in Garching bei München lebenden Fotografen Olaf Otto Becker (51).
Grönland ist nicht nur die größte Insel der Welt (zwei Mal so groß wie Deutschland), sie gilt auch als Schlüssel zum Klimawandel. Denn über 80 Prozent der Insel sind mit Eis bedeckt, es erhebt sich am Zentralkamm bis auf 3300 Meter Höhe. Würde dieses Eis abschmelzen, stiegen den Schätzungen nach weltweit die Meeresspiegel um 6,70 Meter.
Mit Hilfe von NASA-Satellitenbildern hat sich Becker auf die Spur von Schmelzwasserflüssen gemacht. Zwei Wochen lang marschierte er dafür mit einer unhandlichen, schweren Großbildkamera auf seinem Schlitten über Gletscherspalten und andere Risse im Eis. Die namenlosen Flüsse, von denen es Hunderte oder gar Tausende gibt, vermaß Becker per GMS, bevor er sie in ihrem Verlauf fotografierte.
Wer diese Bilder nicht gesehen hat, wird sich kaum vorstellen können, wie vielfältig Eis ist, in welchen Farben es schimmert – vor allem sind es Blautöne – und wie das Schmelzwasser sich Flussrinnen schafft.
Bedrohlich aber, wie oft die Oberfläche des Eises schwarzgesprenkelt ist – schwarz vom Ruß der vom Menschen verursachten Verbrennungsprozesse. Was nicht allein ein optisches Problem ist. Der Ruß reflektiert nämlich die Sonneneinstrahlung nicht so stark wie weißes Eis, was die Schmelzprozesse noch beschleunigt. Zeitweise maß Becker bis zu 36 Grad Lufttemperatur im gar nicht so ewigen Eis.
Ein faszinierender Bildband, der auf hohem ästhetischen Niveau den Grad der Bedrohung unserer Umwelt zeigt. Geradezu paradox erscheinen die Bilder der sich am Point 660 gegenseitig fotografierenden Touristen. Wie lang wird das wohl noch möglich sein?
Bewertung: *****
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