Willige Vollstrecker? Nein, willige Potentaten!

Daniel Jonah Goldhagen „Schlimmer als Krieg“, 688 Seiten, 29,95 €, Siedler, ISBN: 978-3886806980;

Goldhagen

Der Mensch ist schlecht, grausam! Ganz sachlich betrachtet: Keine andere Spezies ist zu solchen Gewalthandlungen fähig wie wir Menschen. Heute sind wir in Freundschaft verbundene Nachbarn und morgen bringen wir uns um – so geschehen in den 90-er Jahren in Jugoslawien und Ruanda. Nicht zu vergessen der von uns Deutschen verursachte Holocaust. Auch mit seinem neuesten Buch sorgt Goldhagen für Kontroversen …

Harvard-Politologe Daniel Goldhagen (50) sorgte 1996 für Debatten weit über Deutschland hinaus: „Hitlers willige Vollstrecker“ brandmarkte die Deutschen zu einem Volk der Antisemiten, die Hitlers Genozid nur allzu gerne umsetzten.

Genozid ist auch das Thema von Goldhagens neuestem Werk, aber diesmal geht der (Populär-)Wissenschaftler weit über Hitler-Deutschland hinaus: Völkermord als Mittel der Politik. Angefangen bei den Deutschen, die in Südwestafrika den Widerstand von Herero und Nama niederschlugen, über Türken und Kurden, die 15 Jahre später die christlichen Armenier vertrieben oder töteten bis zu Kambodscha, Ruanda, Indonesien, Guatemala und  – in der Gegenwart – den Sudan. Bis zu 175 Millionen Menschen kamen auf diese Weise ums Leben.

Aber Genozid ist, so Goldhagens These, niemals ein aus sich heraus entstehender Blutrausch, sondern immer politischer Wille von einigen wenigen, die ihre Macht missbrauchen. Oder wie der Autor es formuliert: „Eliminierungspolitik ist wie Kriegspolitik eine Politik zweckdienlichen Handelns, um bestimmte politische Ergebnisse herbeizuführen, die oft höheren Zielen dienen und oft einer Umverteilung der Macht.“

Soweit die Analyse, der man sich in den meisten Aspekten anschließen kann. Goldhagens Lösungsvorschläge sind allerdings schwierig nachzuvollziehen. Die Vereinten Nationen – zugegebenermaßen der kleinste gemeinsame Nenner, den wir haben – absolut zu verdammen, potenzielle Potentaten präventiv umbringen zu lassen, nun das kann doch nicht Goldhagens Ernst sein.

Das kann’s wohl nicht sein. Trotzdem lohnt die Lektüre des gewichtigen Werkes, auch wenn es sicher nicht die Debatte der „willigen Vollstrecker“ provozieren kann.

Bewertung: ****



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