Rolf Bauerdick „Wie die Madonna auf den Mond kam“, 528 Seiten, 22,95 €, DVA, ISBN: 978-3421044464;
Sauerländer sind etwas langsam, sagt man. Und so wundert es nicht, dass Rolf Bauerdick 52 Jahre alt werden musste, bis er sein literarisches Debüt auf den Markt kam. Das aber schlug voll ein. Auf der Frankfurter Buchmesse war „Wie die Madonna auf den Mond kam“ eines der großen Themen, und schon vor Erscheinen verkaufte der Verlag DVA den 500-Seiter in neun Länder. Einen besseren Start kann’s nicht geben.
Das Buch hat’s aber auch verdient. Selten habe ich so gelacht wie bei dieser abgefahrenen Geschichte aus dem – fiktiven – dem Bergdorf Baia Luna und den – fiktiven – transmontanischen Karpaten im realen Rumänien, das Bauerdick gut kennt, weil er dort als Fotoreporter viel Zeit verbracht hat.
„Schick ihn zur Hölle, vernichte ihn.“ Das sagt die Lehrerin am 6. November 1957 zum 15-jährigen Pavel, als dieser gerade das Foto des Parteisekretärs an die Wand des Klassenzimmers nagelt. Während die russische Rakete Sputnik durchs All fegt, verschwindet die Lehrerin, wird der Dorfpfarrer ermordet aufgefunden. Pavel will aufklären und braucht dazu 30 Jahre – bis zum Tod des Diktators Ceausescu, hier Conductator genannt.
Literatur als großes Kino, in diesem Roman steht die Lust am Erzählen, am Fabulieren im Vordergrund. Auch wenn Bauerdicks Sprache manchmal zum Kitsch durchschlägt, die rhetorischen Volten sind gelungen, ein Spaß.
Das große Thema ist (wie bei Nobelpreisträgerin Herta Müller) der Überwachungsstaat, allerdings (anders als die persönlich betroffenen Herta Müller) betont Bauerdick die komischen Seiten genauso wie das Lebensgefährliche solcher unkontrollierten Machtapparate.
Über seinen Helden Pavel sagt er: „Spät zwar, aber nicht zu spät, beginnt er, die Welt, die von den Mächtigen auf den Kopf gestellt wurde, wieder auf die Füße zu stellen.“ Dessen Geschichte ist der Rahmen, in dem sich tragikomische Geschichte des kleinen 250-Seelen-Dorfs entwickelt, in der neben Pavel auch dessen Oper und ein Zigeuner tragende Funktionen bei dieser Suche nach Gerechtigkeit haben.
Bauerdick weiß, wovon er schreibt. Der preisgekrönte Reportagefotograf war schon auf der ganzen Welt unterwegs und suchte immer die Nähe von Menschen, die sonst nicht im Rampenlicht stehen, wie die Roma in Rumänien.
Wer das Absurde liebt, wird mit diesem Roman viel Spaß haben – so wie ich.
Bewertung: *****
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