Je blaublütiger um so dekadenter um so sinnentleerter

Edward St Aubyn „Nette Aussichten“, 200 Seiten, 17,90 €, Dumont, ISBN: 978-3832180249;

„Schöne Verhältnisse“, „Schlechte Neuigkeiten“ und jetzt „Nette Aussichten“. Nach Erlösung klingt der Titel des dritten und letzten Teils der so genannten Melrose-Triologie nicht gerade. Darum geht es auch nicht: Zwar kann Protagonist Patrick Melrose endlich offen reden über die Vergewaltigung durch den Vater, dafür aber benimmt sich der halbe englische Hochadel daneben.

Vor 16 Jahren sind die Romane im englischen Original erschienen – eine blitzgescheite, rabenschwarze Satire auf die Londoner High Society. Und im Mittelpunkt steht ausgerechnet Prinzessin Margaret, Mitglied der Königsfamilie und dazu rüpelhaft, herrschsüchtig und über alle Maßen arrogant.

Edward St Aubyn, geboren 1960, weiß, wovon er schreibt. Einst missbrauchte ihn sein eigener Vater und drohte damit, ihn umzubringen, falls er je irgend jemandem davon erzählt. Und adelige Verwandte hat der Oxford-Absolvent, der inzwischen sechs Romane veröffentlicht hat, auch reichlich.

Der Brite schildert das Psychogramm einer kaputten Familie. Für die Darstellung des Wahnsinns bedient es sich der Ironie, einer bisweilen furchtbaren Ironie, und er redet Klartext, so oft dies nötig ist. Familie Melrose lebt in einer Villa in der Provence und verprasst das Familienvermögen. Gefühle, wie Liebe, Ehrlichkeit, Zusammengehörigkeit haben in der Dekadenz keinen Platz. Auf die Frage eines Journalisten, ob St Aubyn seine eigene Geschichte erzählt, antwortet er mit einem klaren „Ja“.

Natürlich macht es das Verständnis von „Nette Aussichten“ leichter, wenn man die beiden Vorgänger-Romane gelesen hat. Viele alte Bekannte treten wieder auf, so viele, dass der Leser leicht verwirrt wird. Und doch lohnt sich dieser Roman auch ohne Vorkenntnisse.

Im Mittelpunkt steht eine noble Gartenparty. Allerlei Blaublütiges tummelt sich hier – und  benimmt sich  daneben. Aber der Autor will mehr. St Aubyns Alter Ego soll ein beseres Leben haben und Freiheit. Dies darzustellen fällt dem Autor auf seltsame Weise schwer. Seine sonst so treffsichere Sprache wird farblos. Ist das ein Zeichen?

Bewertung: ****

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