Aleksandar Hemon „Lazarus“, 320 Seiten, 19,95 €, Knaus, ISBN: 978-3813503296;
Es geht um Migranten, um einen Kriminalfall, um Geschichte und und und. Der bosnisch-amerikanische Schriftsteller Aleksandar Hemon hat einen höchst interessanten, höchst unterhaltsamen Schelmenroman geschaffen. Sein Amerika von 1908 weist viele Parallelen zu dem von heute auf.
Also vordergründig geht es um einen vermeintlichen Anarchisten, einen Einwanderer vom Balkan mit Namen Lazarus Averbuch, der im Jahr 1908 von einem hysterischen Polizeipräsidenten in Chicago aus nächster Nähe totgeschossen wird.
Dann geht es um den Schriftsteller Vladimir Brik, einen in Bosnien geborenen Amerikaner, der fast 100 Jahre später zufällig auf die Geschichte des ermordeten Immigranten stößt und sie posthum aufklären möchte, in dem er in ihrer beider Heimat auf dem Balkan nach Spuren von Lazarus sucht.
Rora begleitet ihn, ein Jugendfreund und versierter Fotograf (seine Bilder illustrieren den Roman). Für beide ist es weniger eine Reise auf den Spuren eines Toten, sondern eine zu den eigenen Wurzeln. Die Geschichte wird zum Balkan-Roadmovie: Und was der Judenhass vor 100 Jahren war, das ist heute die Stigmatisierung der Moslems.
Erwähnen möchte ich auch noch Olga, die daheim gebliebene Schwester von Lazarus: Sie fühlt tiefe Trauer nach dem Tod ihres Bruders, erst recht, als sie hört, dass er auferstanden sein soll. Ein Lieblingsthema von Aleksandar Hemon, dem Alter ego Briks.
Als der 28-Jährige 1992 bei einem Kulturaustausch in USA von der Belagerung seiner Heimatstadt Sarajewo erfuhr, beschloss er nicht zurückzukehren und ließ sich in Amerika nieder. Faszinierend, dass er schon seit 1995 in englsicher Sprache schreibt und dabei einen Wortwitz und eine Virtuosität entwickelt hat, die jeden Muttersprachler schmücken würde.
Bewertung: *****
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