Louise Erdrich „Das Haus des Windes“, 384 Seiten, Aufbau, 19,99 €, ISBN: 978-3351035792;
Louise Erdrich, Tochter eines deutschen Metzgers und Enkelin eines Indianerhäuptlings, ist seit vielen Jahren mehr als nur ein Geheimtipp für Freunde amerikanischer Literatur. Mit „Das Haus des Windes“ hat die 60-Jährige ihr aufregendstes Werk vorgelegt. Wie immer ist ihr Thema die heutige Lebenswirklichkeit der amerikanischen Ureinwohner.
Joe, Staatsanwalt, schaut zurück in seine Jugend, in jenes Jahr 1988, als seine Familie kaputt ging, als seine Mutter nach einer brutalen Vergewaltigung in die innere Emigration ging und ihren Mann und ihren Sohn aus dem Leben schmiss. Sie bekommt keine Gerechtigkeit, denn sie kann zwar den Täter nennen, einen Nicht-Indianer, aber nicht den Tatort und wird so ein Opfer der widerstreitenden, territorialen, indianischen Gesetzgebungen. Selbst Joes Vater, der Stammesrichter, kann nicht helfen. So ist es an Joe selber, das Verbrechen zu sühnen.
Das Buch liest sich wie ein Roman, aber tatsächlich ist es eine furios vorgetragene Anklage, gegen ein Rechtssystem, das verhindert, dass Indianer für die in ihrer Einflusssphäre verübten Verbrechen gegen (weiße) Nicht-Indianer rechtlich vorgehen können. Ein Ergebnis dieser Gesetze, die von vorneherein dazu dienten, die Minderheit zu schwächen, ist, dass rund 80 Prozent aller Frauen in Reservaten mindestens einmal im Leben eine Vergewaltigung erleiden müssen. Präsident Obama startete im Februar 2013 einen ersten Versuch, diese Ungerechtigkeit zu beenden.
Neben der politischen Botschaft erzählt „Das Haus des Windes“ viel über den Alltag der Indianer, über ihre Probleme, ihre Mythen, ihre Traditionen – und die darauf gründende Stärke, die es ihnen ermöglicht, zu überleben, ohne ganz assimiliert zu werden. Eine bessere Botschafterin als Louise Erdrich mit ihrer weltweiten Verbreitung ist kaum denkbar. Ein großartiger Roman!
Bewertung: *****
Weiteres von Louise Erdrich:
„Solange Du lebst“ und „Schattenfangen“