Der Löwe im Büro

Sibylle Lewitscharoff „Blumenberg“, 220 Seiten, 21,90 €, Suhrkamp, ISBN: 978-3518422441;

Wenn eine Schriftstellerin über einen Philosophen schreibt, der Halluzinationen hat, dann klingt das wenigstens schräg. Und tatsächlich ist Lewitscharoffs jüngstes Wer ein Lesevergnügen – und stand zurecht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises.

Der 1996 verstorbene Hans Blumenberg, Namensgeber des Romans, war Philosoph und einer von der ganz scheuen Sorte. Nur zwei Fotos gibt es bis heute von dem vor allem wegen seiner hohen Sprachfertigkeiten gerühmten Gelehrten. Ich gebe zu, ihn vorher nicht gekannt zu haben.

Lewitscharoff indes hatte mich schon zuvor fasziniert – mit ihrem skurrilen „Apostoleff“. Jetzt hat sie alledings noch mal ne Schippe draufgelegt. Blumenberg war auch ein großer Buchfan, wie Lewitscharoff. Seine Idee von der „Lesbarkeit der Welt“ beschrieb die Welt als Buch.

Und dieser Menschen sieht nun eines Nachts an seinem Schreibtisch sinnierend, einen Löwen. Einen ganz realen Löwen. Er ist, wie Blumenberg feststellt, „habhaft, fellhaft, gelb“ und hat es sich auf dem Teppich gemütlich gemacht. Von Blumenberg nimmt er keine Notiz. Der ist irritiert:Spinnt er jetzt?

Aber der Löwe lässt ihn nicht mehr los, durch ihn gewinnt der Einsiedler Blumenberg neues Leben, er ist Reflektionsfläche für den älteren Herrn, so eine Art „Kraftquell“. Selbst die Kindheitserlebnisse in der NS-Zeit als der Halbjude ins Arbeitslager musste und drei seiner Tanten umgebracht wurden, erscheinen ihm im Angesicht des Löwen anders, besser, angenehmer.

„Der Löwe wird doch nicht zu mir gekommen sein, um auf meinem Teppich zu verenden?, dachte Blumenberg bestürzt. Höhererseits wollte man ihn foppen und hatte ihm deshalb diesen Rohrkrepierer von einem Löwen geschickt. Nein, Blumenberg empfand Sympatie für den Löwen, und als er sich dies eingestand, vertraute er sogleich auf die erkenntnisfördernde Kraft der Sympathie.“

Am Ende dieses schmalen Romans bleiben vor allem Rätsel und die Freude darüber, ein seltsames, aber ausgezeichnetes Stück Literatur in Händen gehabt zu haben.

Bewertung: ****

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