Hermann Parzinger „Die Kinder des Prometheus – Eine Geschichte der Menschheit vor der Erfindung der Schrift“, 848 Seiten, C.H. Beck, 39,95 €, ISBN: 978-3406666575;
Ist eigentlich kein Bildband. Im Gegenteil, die paar Zeichnungen in diesem kiloschweren Buch sind nicht der Rede wert. Und doch, so finde ich, gehört der Parzinger unbedingt in diese Aufstellung von überaus weihnachtsgeschenktauglichen Büchern. Schon lange nämlich habe ich kein derart faszinierendes wissenschaftliches Werk gelesen.
„Eine Geschichte der Menschheit“ braucht Platz – und Zeit. Parzingers detailreiches Werk verlangt, dass sich der Leser darauf einlässt. Und die Reise mitgeht, die von den Anfängen der Menschheitsgeschichte in Afrika über die Auswandererkulturen nach Europa und Nordamerika auch den Pfaden in den fernen Osten folgt und so eine weltweite Gesamtansicht bietet. Wohltuend in all der europazentrierten Geschichtsschreibung, wie sie bis vor nicht allzu langer Zeit üblich war.
Hermann Parzinger, einst Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts und einer der renommierten Vorgeschichteforscher im Land, verlässt die wissenschaftliche Ebene nicht und schreibt trotzdem so, dass der Laie es nachvollziehen kann. Stellenweise liest es sich wie ein langsamer Krimi, manchmal aber verliert der Leser aufgrund der Detailtiefe dann doch leicht den Überblick. Egal. Allein die Tatsache, wie sich der Mensch auf der Erde ausbreitete, wie die Entwicklung von Jagdwaffen ihm die Möglichkeit gab, feste Siedlungen zu gründen und den Ackerbau zu erfinden, ist extrem spannend.
Parzinger schildert aber auch die Spuren, die von unseren prähistorischen Ahnen zu finden sind und mit welcher Raffinesse daraus Rückschlüsse auf deren Lebensweisen, auf deren Bräuche und Kultur zu ziehen sind. Hier ist extrem viel im Fluss. Womöglich wird sich auch die nächste Auflage zu lesen lohnen, aufgrund vieler neuer Erkenntnisse.
Ein Buch, das jeder Geschichtsinteressierte lesen sollte.
Bewertung: *****
Interessant wäre eine Antwort auf die Frage, ob Hermann Parzinger in diesem Werk auch Erkenntnisse aus „neueren“ wissenschaftlichen Methoden (wie bspw der DNA-Analyse) einfließen lässt…
Des Weiteren wird in anderen Besprechungen positiv herausgestellt, dass Herr Parzinger in seinen Urteilen stets vorsichtig und moderat bleibt – anders als andere Kollegen.
Vor diesem – wie ich finde – angenehmen Hintergrund und der gelungenen Rezension werde auch ich mir das Buch als „Winter-Lektüre“ zulegen.
Oh, ob er auf Erbgutuntersuchungen zurückgreift, weiß ich gerade gar nicht (Ich kann auch leider nicht nachschauen). Aber ich denke schon, nachdem er sehr präzise auf regionale Unterschiede eingeht. Ja, und die Einschätzung, Parzinger sei zurückhaltend in seinen Bewertungen, kann ich nur bestätigen. Er macht auch immer wieder deutlich, wo es noch Spielräume in der Interpretation gibt. Gleichwohl finde ich es faszinierend, was sich alles aus ein paar Tonscherben herauslesen lässt.