Nina Jäckle „Der lange Atem“, 180 Seiten, Klöpfer & Meyer, 19 €, ISBN: 978-3863510770;

Es war der 11. März 2011, als eine der schlimmsten Katastrophen der Menschheitsgeschichte passierte. Vor der japanischen Ostküste gab es ein schweres Erdbeben, dem ein Tsunami folgte, der die Atommeiler bei Fukushima zerstörte. Knapp 20.000 Menschen starben. Weltweit löste das Unglück Erschütterung aus, in Deutschland wurde gar das Ende der Atomkraft beschlossen. Nina Jäckle erzählt eine ganz andere Geschichte.

Sie spielt eineinhalb Jahre später. Ein Inspektor, gelernter Phantombildzeichner, kehrt mit seiner Frau in seinen zerstörten Heimatort zurück – getrieben von Schuldgefühl wegen seiner verstorbenen Verwandten.  Da, wo sein Haus war, das seiner Nachbarn, sind nicht mal mehr Trümmer. Alles wurde beseitigt, alles ist verstrahlt.

Und so versucht der Mann sich zu befreien, in dem er die Gesichter der Tsunami-Opfer zeichnet – ohne Verletzungen, so wie ihre Angehörigen sie in Erinnerung behalten sollen. Er will dabei in das Wesen der Opfer vordringen, sie so darzustellen, wie sie waren: „So wird es ihnen zumutbar, so können sie auf meine Zeichnungen zeigen, auf gezeichnete, unversehrte Gesichter, ja, können sie dann sagen, ja, das ist sie, ja, er ist es.“

Doch seine Frau kommt mit dieser Art von Verarbeitung nicht zurecht. Sie leidet, sie schweigt, irgendwann steigt sie aus. Und auch sonst ist die Katastrophe noch allgegenwärtig. Etwa in dem Pflegeheim, aus dem die alten Leutchen nicht evakuiert wurden und die deshalb jetzt verstrahlt und eine Bedrohung für die Pfleger sind.

Überleben kann auch ein Unglück sein.

Bewertung: ****

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Lauter Lesenswertes

Überleben als Bürde

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