Hans Pleschinski „Königsallee“, 393 Seiten, 19,95 €, C. H. Beck, ISBN: 978-3406653872;
Es hätte tatsächlich so stattfinden können, doch die Geschichte ist erfunden. Diese Geschichte einer Begegnung. Im Sommer 1954 weilte der 79-jährige Nobelpreisträger Thomas Mann mit Familie im noblen Hotel Breidenbacher Hof“ auf der noblen Königallee im noblen Düsseldorf. Das ist verbürgt. Nicht passiert ist hingegen, dass er dort Klaus Heuser traf, mit dem er 30 Jahre vorher eine Liebesbeziehung hatte.
Seine Spannung bezieht der Roman nicht zuletzt aus der Schilderung des Deutschlands der 50er Jahre. In dieser spießigen Operetten-Zeit, als Marika Rökk das Publikum begeisterte, war Homosexualität noch weniger akzeptiert, als Ende der 20-er Jahre. Und so eilen Kinder und die Ehefrau des Dichters herbei, um zu unterbinden, was unmöglich scheint.
Die großartig erzählte Geschichte hat aber noch eine andere Ebene. Pleschinski erzählt sie nämlich nach dem Muster von Manns „Lotte in Weimar“, wo dieser die Begegnung des Dichterfrüsten Goethe mit der früheren Geliebten Charlotte Kestner erzählt.
Und alle, alle spielen sie mit: Manns Ehefrau Katia, Tochter Erika, die zufällig entdeckt, dass der frühere Geliebte Klaus im Hotel ist, zusammen mit seinem indonesischen Freund. Und auch Mann-Sohn Golo, den Pleschinski wenig schmeichelhaft als um die Gunst des Vaters buhlenden Weißwein-Freund beschreibt.
Virtuos erzählt Pleschinski seine Geschichte. Nicht alle Andeutungen werden auf Anhieb klar, aber mit ständigen Perspektivwechseln hält der Münchner Schriftsteller das große Tempo. Nur eine Einschränkung sei gemacht: Das Thema ist nicht einfach, es muss gefallen.
Bewertung: *****