Christian Kracht „Imperium“, 256 Seiten, 18,99, Kiepenheuer & Witsch, ISBN: 978-3462041316;
Dass Deutschland Kolonien in der Südsee hatte, ist völlig aus dem Fokus – bis vor zwei Jahren. Damals erschienen mehrere Bücher darüber. Das mit Abstand interessanteste war der Roman des Schweizer Autors Christian Kracht. Er nahm sich die Geschichte des Abenteurers, Gesundheitsapostels und Weltverbesserer August Engelhardt vor.
Krachts Antiheld war ziemlich durchgeknallt, und es gab ihn wirklich. Sein Trachten galt der Kokusnuss, der Nacktheit und seinem Sonnenkult. 1902 hatte er auf der Insel Kabakon seinen Sonnenorden ausgerufen.
Das alles bekommt dem Zivilisationsflüchtling aber nicht gut. Die Sonne und die Kokusnussdiät sorgen im Laufe der Zeit für stärker werdende Ausfallerscheinungen, seinen Daumen frisst die Lepra weg. Der Sonderling Engelhardt wird einsamer und einsamer.
Und diese Entwicklung, dieser Niedergang, ist auch das Hauptthema für Kracht, der keinen Abenteuerroman schrieb, sondern eine zutiefst menschliche, von viel Humor getragene Tragödie.
Das ganze ist eine ziemlich abseitige Geschichte, mit großer Geste erzählt, schön in der Sprache, ein Abenteuerroman mit Tiefgang. Krachts Geschichte orientiert sich nur an der Wirklichkeit, mehr muss ja auch nicht sein, gleichwohl befördert er ein vergessenes Kapitel aus dem Dunkel der Geschichte nach oben.
Mit „Imperium“ hat Christian Kracht sein Ansehen als einer der herausragenden, zeitgenössischen Schriftsteller deutscher Sprache bestätigt.
Bewertung: *****