Was ist faszinierender als der Blick über die Erde hinaus? Die Astrophysik richtet heute den Blick in extreme Ferne, zurück in die Vergangenheit und hinein in kleinste Teile und in exotischste Weltmodelle. Den nachfolgenden acht Autoren gelingt es, auch uns normalen Lesern dieses Wissen näherzubringen – die wichtigsten Astrophysik-Neuerscheinungen der vergangenen beiden Jahre:

 

Brian Greene „Die verborgene Wirklichkeit – Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos“ (Siedler, Pantheon);
Harald Lesch/Jörn Müller „Sternstunden des Universums“
(C. Bertelsmann, btb);
Dieter Lüst „Quantenfische – Die String-Theorie und die Suche nach der Weltformel“
(C.H. Beck);
John D. Barrow „Das Buch der Universen“
(Campus);
Alexander Unzicker „Auf dem Holzweg durchs Universum“
(Hanser);
Lawrence M. Krauss „Ein Universum aus Nichts … und warum da trotzdem etwas ist“
(Knaus);
David Blatner „Extremwelten – Unser unfassbares Universum von unendlich klein bis unendlich“
(Berlin);
Helmut Satz „Gottes unsichtbare Würfel – Die Physik an den Grenzen des Erreichbaren“
(C. H. Beck).

Lesen Sie mehr:

Brian Greene „Die verborgene Wirklichkeit – Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos“, 448 Seiten, 24,99 €, Siedler, ISBN: 978-3827500014; auch als Taschenbuch bei Pantheon, 14,99 €;

Warum soll das Universum, in dem wir leben, einzigartig sein? Was spricht dagegen, dass es noch viele anderen Universen gibt, wir sozusagen in einem Multiversum leben? Aus Sicht des Mathematikers und Physikers Brian Greene gar nichts. Im Gegenteil, er ist überzeugt, dass mit der Theorie der vielen Universen viele mathematische Erkenntnisse zu begründen sind.

Brian Greene, der an der Columbia University in New York forscht und als einer der Väter der String-Theorie gilt, will die Leser nicht plump überzeugen, er will ihnen aus eigener Überzeugung heraus den Stand der/seiner Forschungen erläutern.

Die allerdings sollten schon ungefähr wissen, um was es hier geht. Denn für den Laien ist dieses faszinierende Buch kaum geeignet, obwohl sich Greene Mühe gibt, vor jedem Kapitel theoretische Grundlagen zu erläutern. Faszinierend sind Greenes Rückschlüsse schon. Beweisen lassen sie sich nicht, denn die Frage nach der Singularität ist nicht zuletzt eine philosophische, eine Frage des Glaubens.

Bewertung: ****

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Harald Lesch/Jörn Müller „Sternstunden des Universums“, 272 Seiten, 19,99 €, C. Bertelsmann, ISBN: 978-3570100752; auch als btb-Taschenbuch, 11,99 €

Harald Lesch ist so etwas wie der Guido Knopp der Astrophysik. Einer mit Titel (Professor), der nett aussieht (Schwiegermuttertyp) und auch schwierige Dinge leicht verständlich vermittelt. Und eben so kommt auch sein neuestes Werk daher, das er wieder mit seinem Münchner Kollegen Jörn Müller geschrieben hat.

Es geht um den Rand des Wahnsinns, wie eine von Leschs DVDs heißt. Er erläutert Phänomene am Ende der wissenschaftlichen Erkenntnis, etwa die von Sternen, die sich immer wieder aufblasen und dann wieder zusammenziehen, um Sterne, die viele zehntausend Mal heller leuchten als die Sonne, über Dunkle Materie und Dunkle Energie, um das Wie (oder Ob?) des Urknalls. Und auch grundsätzliche Fragen, wie die nach Gott, werden nicht ausgelassen.

Leicht zu lesen als der Greene, aber auch populärwissenschaftlicher.

Bewertung: ****

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Dieter Lüst „Quantenfische – Die String-Theorie und die Suche nach der Weltformel“, 381 Seiten, 26,95 €, C.H. Beck, ISBN: 978-3406622854;

Der Münchner Dieter Lüst ist in Deutschland so etwas wie der Papst der String-Theorie. Schon sein ganzes Berufsleben lang gründelt er bei den kleinsten Teilen. Er nennt sie Quantenfische und ist überzeugt, dass sie sich irgendwann nachweisen lassen und dass die Theorie von den viele Dimensionen umfassenden kleinsten Teilchen namens Strings unser Verständnis der Welt von Grund auf ändern werden.

Dabei geht es vor allem darum, die Welt der kleinsten Teilchen (Quantentheorie) und der großen Teile (Relativitätstheorie) miteinander zu vereinen und zur „Welttheorie“ zu kommen. Die macht dann aber auch vor den Naturgesetzen nicht halt. Was wir als gegeben ansehen, kann laut Lüst in einem anderen Universum ganz anders geregelt sein. Wir müssen also, um die String-Theorie akzeptieren zu können, auch so weit gehen, dass wir mit grundsätzlichen Erkenntnissen brechen.

Gewagt, aber hochspannend.

Bewertung: ****

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John D. Barrow „Das Buch der Universen“, 360 Seiten, 24,99 €, Campus, ISBN: 978-3593393377;

Und noch einmal Multiversen, die Theorie von dem Vielerlei des Universums, von wirklicher Unendlichkeit, die die Frage nach dem Anfang und dem Ende, nach dem Dahinter, ja, die Frage nach Gott überflüssig macht.

John D. Burrow, ein britischer Wissenschaftler, fängt ganz von vorne an, bei den Welterklärungen von Aristoteles und Ptolemäus, den Kristallschalen und den Epizyklen. Einstein dachte noch an ein statisches Universum, erst durch die Urknall-Theorie stellte sich die Frage, ob die Ausdehnung des Universums unendlich ist oder ob es irgendwann wieder in sich zusammenfällt.

Und dann kommt Barrow natürlich noch zu den Strings, jenen Gitarrensaiten ähnelnden kleinsten Bausteinen, deren Existenz eines Nachweises noch harrt. Barrow ist ein glänzender, kurzweiliger Erzähler und einer mit viel Fantasie. Die von ihm wiedergegebenen Theorien sind vielfach nicht bewiesen. Das muss man wissen.

Trotzdem: Enpfehlenswert!

Bewertung: *****

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Alexander Unzicker „Auf dem Holzweg durchs Universum“, 304 Seiten, 19,90 €, Hanser, ISBN: 978-3446432147;

Ok, alles, was nicht bewiesen (oder beweisbar) ist, ist Glaubenssache. Das gilt im Besonderen für die Astrophysik, für die Erforschung kleinster Teilchen und des ganzen Universums. Alexander Unzicker, studierter Physiker, hat die neueste Forschung dazu untersucht. Und kommt zu dem Schluss: Alles nur Fantasterei, alles Spekulation.

Vergessen Sie, was Sie in diesem Blogpost alles gelesen haben. Laut Unzicker ist das alles hoch subventionierte Märchenerzählerei. String-Theorien, Multiversen, Higgs-Teilchen, Dunkle Energie – alles Quatsch. Unzicker will der Physik von diesem Irrweg, pardon: Holzweg, helfen und fordert, die Milliarden Euro in die Grundlagenforschung zu stecken.

Unzicker stellt alles in Frage, und das auf eine durchaus sehr selbstbewusste Weise. Tatsächlich hat er sich auch intensiv mit Elementarphysik und vergleichbaren Forschungsfeldern auseinandergesetzt. Aber ob hier wirklich einer Recht und alle anderen Unrecht haben.

Die Unzickersche Fundamentalkritik, ausgelegt auf Catanaccio, also Zerstörung, nervt. Als ob das Prinzip Versuch und Irrtum sich nicht in den vergangenen Jahrhunderten Wissenschafts-Fortschritt bewährt hätte. Und wer weiß, vielleicht sind die String-Theorien wirklich Quatsch. Aber auch das wird zu beweisen sein.

Nein, dieses Buch will ich nicht empfehlen.

Bewertung: **

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Lawrence M. Krauss „Ein Universum aus Nichts … und warum da trotzdem etwas ist“, 256 Seiten, 19,99 €, Knaus, ISBN: 978-3813504682;

War am Anfang tatsächlich – nichts? Eine Frage, mit der sich nicht nur Religionen schwer tun, auch die meisten Menschen wollen da nicht hindenken. Lawrence M. Krauss, amerikanischer Astrophysiker, lehnt schon aus wissenschaftlichen Erwägungen die Existenz eines Gottes ab. Für ihn ist das Nichts ein besonderer Zustand.

Schlüssig argumentiert er, wieso der bloße Zufall aus dem Nichts, einem energiereichen Vakuum (Heißenberg lässt grüßen), etwas machen kann, nämlich einen materiellen Zustand. Wieso also aus Energie Materie wird und umgekehrt. Dahinter steckt ganz und gar nichts Geheimnisvolles.

Intensiv befasst sich Krauss mit der Frage, ob sich das Universum unendlich ausdehnen wird, ob es wieder in sich zusammenfällt oder irgendwann zum Stillstand kommt, also „offen“ ist. Nur letzterer Zustand korrelliert mit der Zufälligkeit, mit der Krauss den Anfang, den Urknall, des jetzigen, materiellen Universums erklärt.

Ein spannendes Buch, auch für Laien interessant. Für mich das beste Buch der hier vorgestellten.

Bewertung: *****

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David Blatner „Extremwelten – Unser unfassbares Universum von unendlich klein bis unendlich“, 256 Seiten, 19,99 €, Berlin, ISBN: 978-3827011268;

Was ist groß? Was ist klein? Was hell? Was dunkel? Alles ist relativ, haben wir gelernt. Und so lassen sich diese Fragen nur beantworten, wenn man zugibt, sie aus einer bestimmten Perspektive zu betrachten.

Wir leben in einer Mittelwelt, zwischen dem ganz kleinen und dem ganz großen. Der Wissenschaftsautor David Blatner bringt uns zu den Extremen, in sechs Bereichen: Zahlen, Größe, Licht, Schall, Wärme und Zeit.

„Extremwelten“ ist ein unterhaltsames Buch über Superlative. Manches ist bekannt, anderes nicht. Man muss es nicht gelesen haben.

Bewertung: ***

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Helmut Satz „Gottes unsichtbare Würfel – Die Physik an den Grenzen des Erreichbaren“, 223 Seiten, 19,95 €, C. H. Beck, ISBN: 978-3406655494;

„Gott würfelt nicht“, sagte Albert Einstein. Stephen Hawking widersprach ihm: „Gott würfelt doch, nur wirft er die Würfel mitunter dorthin, wo man sie nicht sehen kann.“ Vertrackte Argumentation, aber der emeritrierte Bielefelder Astrophysik-Professor Helmut Satz will genau dorthin schauen, wo die Würfel sein könnten. 

Er hält die moderne Physik für eines der großen Abenteuer der Menschheit. Mit immer besseren Teleskopen loten wir die räumlichen und  zeitlichen Grenzen des Universums aus, mit Teilchenbeschleuniger blicken wir in eine geheimnisvolle subatomare Welt.

Helmut Satz gelingt es in diesem Alterswerk, sich von Formeln und Theorien zu lösen. Beinahe schon poetisch stellt er den Erkenntniswert von Symmetrien dar und lässt auch die Grenzen der Forschung nicht aus. Zimmer, die man nie betreten wird, etwa die Bereiche hinter dem Ereignishorizont schwarzer Löcher.

Ein wirklich gut zu lesendes, überzeugendes Buch. Meine persönliche Empfehlung.

Bewertung: *****

 

 

 

 

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