Dies ist die Geschichte einer Entführung, aber nicht nur. Es ist auch die Geschichte einer Begegnung völlig inkompatibler Kulturen, von Sprachlosigkeit und dem unterschiedlichen Verständnis von Gewalt. Der in Berlin lebende Schwabe Yorck Kronenberg ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Musiker: Diesen Roman hat er exzellent durchkomponiert.
Dass Touristen, Entwicklungshelfer oder Kaufleute irgendwo in der Welt Opfer einer Entführung werden, ist heute schon beinahe alltäglich und nur noch fünf Sekunden in der Tagesschau wert. Autor Kronenberg hat sich in die Rolle des Betroffenen versetzt. Der Arzt Robert Sieburg, verschleppt irgendwo im Mittleren Osten oder auch in Zentralasien, erlebt eine wahre Odyssee und verliert dabei die Verbindung zu seiner eigentlichen Existenz.
Über Berg und Tal verschleppt man den Europäer. Er soll im Auftrag seiner Entführer alle seine Gedanken und Eindrücke niederschreiben, darf ab und zu mal mit seiner Frau telefonieren. Die Filmaufnahmen davon werden in der Heimat im Fernsehen gezeigt. Einzige Alltagsverbindung nach außen ist Harry, der Dolmetscher. Immer mehr findet sich Sieburg mit seinem neuen Leben ab. Immer fremder wird ihm das alte Leben – obwohl er wie schon andere von der Gruppe Entführte selbst bei einer Lösegeldzahlung vom Tode bedroht ist.
Je länger das Buch dauert, umso irritierter erscheint uns Sieburg, umso ferner. Er wird zum Teil einer fremden, archaischen Welt. Kronenberg gelingt es glänzend die Verunsicherung und Entfremdung dazustellen. Fast erscheint die Entführung wie ein Traum, ein Albtraum natürlich. Zum Schluss wird der Entführte sogar zum Anführer der Entführer. Oder ist das alles gar nicht wahr?
Bewertung: *****