Rainer Funk „Der entgrenzte Mensch“, 240 Seiten, 19,99 €, Gütersloher Verlagshaus, ISBN: 978-3579067568;
Unsere Gesellschaft ist grenzenlos. Individualismus, Globalisierung und Liberalismus sichern uns eine Freiheit zu, die vor wenigen Jahrzehnten noch nicht einmal denkbar war. Aber können wir damit wirklich umgehen? Rainer Funk, Tübinger Psychoanalytiker und Schüler von Erich Fromm, hat da so seine Zweifel. Und er kann sie auch noch begründen.
Michael Jackson ist für Funk der Prototyp für den modernen Menschen, dem die grenlose Freiheit zur persönlichen Tragödie wird. Als der Popstar und Kunstfigur starb, trauerte die ganze Welt. Sie trauerte um einen Menschen, der schon lange nicht mehr er selber war. Er hatte sich in vielen „Schönheitsoperatione“ selbst entstellt, bewegte sich wie ein künstliches Wesen und lebte in seiner eigenen Welt in einer Traumland namens „Neverland“. Sein Leben und Sterben sind für Funk eine Mahnung.
Der Psychoanalytiker erörtert den modernen Menschen, der bemüht ist allen Begrenzungen zu entkommen, notfalls auch durch Drogen, die Flucht ins Virtuelle und andere Formen der Wirklichkeits-Verleugnung. Das funktioniert nicht, und die Mitmenschen tolerieren dies auch nicht.
Zuverlässigkeit, Empathie, all dies existiert für den entgrenzten Menschen nicht mehr. Der entgrenzte Mensch kennt keine Einschränkungen mehr, er ist im Sinne des Wortes asozial. Er kümmert sich nicht um das Bild, das Außenstehende von ihm haben. Er ist frei, aber allein. Entgrenzung ist also auch Entmenschlichung. Funk schreibt: „Kein Mensch kann auf das Erleben seines Eigenseins verzichten, auch der virtuell entgrenzte Mensch nicht.“ Sein Lehrmeister Erich Fromm sprach von einem „existentiellen Bedürfnis nach einem Identitätserlebnis“.
Allerdings verliert sich Funk auch in der Verkennung gesellschaftlicher Realität. Nicht jeder, der sich auf Facebook auslebt, verweigert sich damit echten menschlichen Kontakten. Und so gerät Funks Analyse bisweilen ins Spekulative, er übertreibt schlichtweg, wodurch er sich selbst die Seriösität nimmt. Der Psychotherapeut geht somit seiner Entgrenzungs-Theorie selber in die Falle. Schade, denn sein Ansatz ist durchaus überdenkenswert.
Bewertung: ****
Na, das klingt irgendwie nach ziemlich kruden Thesen.
Für welche Art von Menschen ist denn Michael Jackson bitte ein Prototyp? Für den normalen Bürger, der vielleicht Arbeit, Wohnort, Partner(in), Kleidung etc. frei aus diversen Optionen wählen kann, der aber trotzdem noch Wert auf Eingebundenheit in ein soziales Netz legt? Ich würde mal tippen, dass die allermeisten Menschen noch immer ein eher traditionelles Leben bevorzugen: Schule, Studium/Ausbildung, dann wird geheiratet, dann kommen Kinder auf die Welt, dann kauft man sich ein Haus etc. pp. Und geheiratet wird natürlich kirchlich und in weiß, so wie es auch schon die Oma getan hat. Dass man danach heute halt die Hochzeitsfotos als Facebook-Profilbild verwendet, so what?
Will sagen: Natürlich hat man mehr Freiheiten als Oma damals, aber das heißt noch lange nicht, dass man auch alles anders macht als Oma das gemacht hat.
Ich bin jedenfalls immer skeptisch, wenn über „den“ modernen Menschen gesprochen wird – es gibt zwar bestimmte Gemeinsamkeiten, aber die Wirklichkeit ist wohl nie so schwarz-weiß…
Naja, ist wohl einfach kein Buch für mich…