Das Haus zur besonderen Verwendung ist ein zynischer Begriff. Es handelt sich nämlich um jenes Haus, in dem 1918 nach der Oktoberrevolution die russische Zarenfamilie umgebracht wurde. Die ganze? Die ganze! Und doch halten sich seither Legenden, wonach ausgerechnet die jüngste Tochter Anastasia verschont geblieben sein soll (was nachweislich nicht stimmt). Und genau von der und ihrer großen Liebe zum Bauernsohn und Leibwächter Georgi handelt dieser Roman.
Zugegeben, der Einstieg in diese Besprechung klingt kitschig, nach Simmel oder Konsalik. Das ist dieser Roman des weltweit hochgelobten irischen Erzählers John Boyne gar nicht. Er ist vor allem in einer wunderbaren Sprache erzählt (sicher auch ein Verdienst von Übersetzer Fritz Schneider) und in sich absolut schlüssig, bis auf die Petitesse, dass die echte Anastasia 1918 erschossen wurde.
Wir starten im Jahr 1981 in London. Georgi ist längst ein alter Mann, seine Frau sterbenskrank, und er erinnert sich an seine Jugendtage, die Flucht vor den Bolschewiken, die ihn und seine Frau Soja erst nach Paris, dann nach London führte. Glpcklich, ja so wirklich glücklich wurden sie dort aber nicht, vor allem Soja plagt ein schlechtes Gewissen nüber das Unglück anderer Menschen. Und so will sie am Ende des Tages nur noch eins, die alte Heimat besuchen.
Die zweite Perspektive dieses sehr, sehr unterhaltsamen Romans sind Georgis Erinnerungen. Als der 16-jährige Bauerssohn 1915 ein Attentat auf die Zarenfamilie verhinderte und daraufhin von Nikolaus II zum Leibwächter seines Sohns ernannt wurde. Und wie er nicht nur zu dem Knaben eine freundschaftliche Beziehung entwickelt, sondern auch zu dessen Schwester Anastasia – ein absoluter Tabubruch in dieser absolutistischen Monarchie.
Abgesehen davon, dass Boyne manchmal tatsächlich etwas breit erzählt und droht, kitschig zu werden, ein grandioser Roman.
Bewertung: *****
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