Sie erinnern sich bestimmt noch an diesen Iren (dessen Namen mit gerade nicht einfällt), der seinerzeit Weltruhm erlangte mit seinen Kindheitserinnerungen von Hunger, Alkohol und Gewalt. John Burnsides „Lügen über meinen Vater“ ist ein ähnliches Kaliber, nicht ausgestattet mit dem Anspruch eine unselige Wahrheit zu schreiben, aber mindestens ebenso kraftvoll und aufrüttelnd.
Burnsides Vater ist ein Monster. Geprägt von einem unauslöschlichen Minderwertigkeitsgefühl (als Säugling war er ausgesetzt worden) mutierte er als Erwachsener zum besoffenen und prügelnden Tyrannen. Und sein Sohn wünscht sich nichts sehnlicher als den Tod des Vaters. Er selbst hat als Heranwachsender Suchtprobleme, er landet in der Psychiatrie und lebt exzessiv – ganz der Vater. Über den Weg dies zu erkennen erzählt dieses Buch.
Das Grauen, über das Burnside als Mittfünfziger erzählt, ist unermesslich. Eine der Schlüsselszenen ereignet sich, als der Vater wieder einmal ausrastet, den Sohn am Hals packt und durch die Küche schleudert. Worauf sich dieser ein Messer nimmt … Ob er zugestochen hätte? Niemand weiß es, auch Burnside nicht.
Noch mehr als unter der körperlichen Gewalt leidet der Junge unter dem psychischen Terror, der offensichtlichen Geringschätzung durch den Vater, der ihn auch mit Worten immer nur klein macht, ihn als „Mädchen“ beschimpft und ihm körperliche Fehlbildungen unterstellt.
Die 50er, 60er Jahre in Nordengland waren hart, gerade im Arbeitermilieu, wo es teilweise noch ums pure Überleben ging. Vieles an das sich Burnside in seinem Buch erinnert, hat nur in der Fantasie des Jungen stattgefunden, auf der Gefühlsebene. Gerade diese Teile aber machen die Erinnerung so glaubwürdig.
Gerettet hat John Bunrside übrigens die Literatur. Wer weiß, vielleicht hätte er sonst das Schicksal des Vaters geteilt.
Bewertung: ****