Wer Geheimagent hört, denkt an James Bond, an Guillaume, an Mauss, aber nicht unbedingt an Werner Stiller. Dabei ist das Leben des ehemaligen Stasi-Mitarbeiters nicht weniger aufregend als das der vorgenannten: 1979 floh er mit einem Koffer brisanter Dokumente nach West-Deutschland, mit denen Dutzende DDR-Spione enttarnt wurden. Der Bundesnachrichtendienst wiederum tat alles, um ihn vor der Rache von Mielkes Leuten zu schützen und übergab ihn schließlich, als er Stillers Sicherheit nicht mehr gewährleisten konnte, an die amerikanische CIA. In USA baute sich Stiller alias Fischer ein neues Leben auf. Abenteuerlich!
„Und die saßen da und tranken Kaffee und aßen Kuchen“, so schildert Stiller das Ankommen im Westen. Der Polizei am West-Berliner Flughafen Tegel hatte sich Stiller nach seiner Flucht gestellt. Und auch der Stasi-Mann bekam erst mal ein Stück Kuchen, bis der BND alarmiert wurde und einen DDR-Agenten nach dem anderen hops nahm. Von einem schwarzen Jahr 1979 sprach später Geheimdienstchef Markus Wolf, den Stiller erstmals auf einem Foto identifizierte, worauf Wolf zum Titelmotiv des Spiegels wurde.
1986 schrieb der Agent dann seine Memoiren. Von wegen, das meiste war erlogen. Täuschung als Mittel zum Zweck, vor allem um Racheakte der Stasi zu verhindern, wie Stiller jetzt schreibt, und auch der BND wollte die Wahrheit verschleiert haben. Vom deutschen Nachrichtendienst hält Stiller bis heute nicht viel: „Der BND, ich weiß es nicht, das waren Beamte, die auf ihre Pensionierung warteten. Die Leute waren wirklich nicht für die Geheimdienstarbeit ausgebildet und vorbereitet.“
Nicht aus ideologischer Überzeugung hatte sich Stiller bei der Stasi anwerben lassen, sondern mit dem Wunsch Aufträge im Westen zu bekommen. Als dies nicht gelang, nahm der junge Mann sein Schicksal selbst in die Hand und lief nach West-Berlin über. Ein eitler Mann, der sich darüber freute, von 20 Personenschützern umsorgt zu werden.
In den USA begann sein drittes Leben: Er studierte und wurde Finanzexperte. Er scheffelte Millionen als Banker und verlor Millionen. Seit Ende der 90er Jahre lebt der zum sechsten Mal verheiratete, inzwischen 63-Jährige in Budepest, mittlerweile als Immobilienmakler.
Ein Buch über ein Leben, das zeigt, dass die wahren Geschichten so gut sind, das man sie nicht erfinden kann.
Bewerung: *****