Er ist einer der am meisten verkannten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts – und einer der größten. Von Daniil Charms, der 1942 mit gerade mal 36 Jahren in seiner Heimatstadt St. Petersburg (Leningrad) in einem sowjetischen Straflager verhungerte starb, waren zu Lebzeiten gerade mal zwei Gedichte veröffentlicht worden. Posthum, 70 Jahre nach seinem Tod, wird Charms die verdiente Anerkennung zuteil, durch eine Werksausgabe im Galiani-Verlag.
Als „Samuel Beckett des Ostens“ wird Charms heute gerne bezeichnet. Wie der in Russland verbotene Dichter lebte, lässt sich heute kaum noch ermessen. Im Stalinreich musste er ständig Angst vor Verhaftung, Deportation und Ermordung haben, von den erbärmlichen Lebensumständen des russischen Bohemian ganz zu zweifeln.
Der 1905 geborene Daniil Charms, dessen Vater wegen eines Attentats auf den Zaren im Gefängnis saß, stammte ursprünglich aus großbürgerlichen Verhältnissen, er absolvierte in Petersburg das deutsche Gymnasium. Als Künstler war er im Dadaismus zu Hause – auch nicht das, was den russischen Revolutionären gefiel, und so wurde Charms tatsächlich in den 30er Jahren immer wieder verhaftet.
Er litt schlimme Not: „Am Morgen erwachst du munter/Dann beginnt die Mattigkeit/ Dann beginnt die Langeweile; Dann setzt das Nachlassen/Des raschen Denkvermögens ein,/Dann setzt die Ruhe ein,/Und dann beginnt der Horror.“ heißt es in einem seiner handschriftlich überlieferten Gedichte.
Selten ist Daniil so direkt, in seinen Gedichten und Geschichten ist er eher der Meister des Absurden und bedient sich eines skurillen Humors, der in der engstirnigen Diktatur fast zwangsläufig auf Widerstand treffen musste.
Galiani bringt nun erstmals eine komplette Werkausgabe des Dichters heraus, man sollte sie als Literaturfreund nicht versäumen.
Bewertung: *****
lang="de">