Thomas Alexander Staisch „Heinrich Pommerenke, Frauenmörder“, 343 Seiten, 22 €, Klöpfer & Meyer, ISBN: 978-3940086884;
Die spannendsten Geschichten schreibt das leben selber, die kann sich ein Autor gar nicht erfinden. „Scheusal vom Schwarzwald“ nannten Medien und Öffentlichkeit vor über 50 Jahren den wegen vierfachen Mordes und anderer Verbrechen 1960 zu 156 Jahren Haft verurteilten Heinrich Pommerenke. Der Journalist Thomas Alexander Staisch durfte die Akten auswerten.
Ende Dezember 2008 ist die „Bestie“ gestorben, nach beinahe 50 Jahren im Gefängnis. Eine Entlassung war nie in Frage gekommen, der Serientäter galt als rückfallgefährdet. Sein Leben war „verschüttet“, wie Staisch es formuliert, er hatte keine Angehörigen und arbeitete im Gefängnis als Hofreiniger.
Vier Morde an Frauen, zwölf versuchte Morde und vieles mehr. Wegen insgesamt 27 Schwerverbrechen war der gebürtige Rostocker, damals gerade einmal 22 Jahre alt, verurteilt. Vor Gericht zeigte Pommerenke keine Reue: „Ich wundere mich, dass es nur vier Frauen gewesen sein sollen.“
Das „Lebenslang“ war damals wie heute umstritten, wie der Streit um die „Sicherheitsverwahrung“ nach Ableistung einer Haftstrafe zeigt. Staisch prangert die Unmenschlichkeit solcher Strafen an und versucht im Fall Pommerenke den Menschen hinter der Beste aufzustöbern.
Über Staischs Mittel kann man zweifeln: Sein Buch ist der Versuch einer Biografie mit den Mitteln des Romans. Ganz schön anstrengend ist das durch viele Wechsel zwischen Zeiten und zwischen Erzählung und reiner Faktendarstellung.
„Heinrich Pommerenke, Frauenmörder“ ist auch ein Buch über die Verklemmtheit der frühen Bundesrepublik, über unterdrückte Gefühle und die Weigerung Hintergründe zu erkennen: Pommerenke war offenbar krank, er hatte das Asperger-Syndrom, eine spezielle Form des Autismus.
In Karlsruhe wird übrigens darüber nachgedacht, eine Stadtführung auf den Spuren Pommerenkes anzubieten. Staisch ist dafür. „Man muss auch zu den dunklen Kapiteln der Stadtgeschichte stehen“, hat er im Gespräch mit der taz dazu gesagt.
Bewertung: ****
Diese doch fast Verherrlichung gibt mir ein sehr ungutes Gefühl…
Renée
Das tut mir leid, aber eine Verherrlichung ist das nicht. Und Pommerenke büßte im Gefängnis, bis an sein Lebensende.
nein, nein, so meinte ich es nicht. Ich fühle mich nur unwohl, wenn ich sehe, wie sehr man sich mit diesem kranken Menschen scheinbar beschäftigt und in Karlsruhe sogar ein Stadtführung auf seinen Spuren einrichten möchte. Natürlich sollte man nichts verschweigen, aber diesen auf eine Art „verewigen“ zu wollen, finde ich schon geschmacklos.
Ich finde einfach nichts reizvoll an diesem psychisch kranken Menschen und verstehe nicht so ganz, warum man sein Leben so erforschen möchte. Warum soll man sich an ihn erinnern wollen?
Aber das ist nur meine Meinung und wenn ich von Verherrlichung spreche, war das im übertragenen Sinne gemeint.
Nun, das Buch wird sicher viele Käufer finden und wird auch sicher einige Menschen sehr abstossen…
Auf alle Fälle war eure Buchbeschreibung wieder einmal sehr gut, hätte sie sonst diese regen Gedanken und Gefühle in mir hervorgerufen?!
Liebe Grüsse!
Renée
Wow, das klingt wirklich extrem spannend. Das kommt auf jedenfall auf meine Bücherliste.
Hallo Renée,
du findest an diesem psychisch kranken Menschen nichts reizvoll. Das muss man ja auch nicht. Aber man sollte sich ruhig an ihn erinnern, so wie man sich auch an unsere dunkle deutsche Geschichte immer erinnern sollte. Nur dann kann man aus den Fehlern lernen. Pommerenke hatte eine Kindheit, die nicht nur aus ihm einen Menschen ohne Empfindungen für andere gemacht hat. Damit wäre nur ein Leben zerstört worden. Da er aber zu einer Bestie wurde, sollte unsere Gesellschaft daraus die Lehre ziehen, dass es nicht immer egal ist, wie Kinder aufwachsen. Wir alle haben eine Verpflichtung hinzusehen!
Ja, das Buch kann abstoßen, weil es grausame Details preisgibt. Aber dass soll es auch. Wo kämen wir hin, wenn niemand etwas von den Greueln eines Krieges oder der Judenverfolgung wissen möchte?