Thomas Hettche „Die Liebe der Väter“, 223 Seiten, 16,95 €, Kiepenheuer & Witsch, ISBN: 978-3462041873;
Ein Buch, das ich auch selber schreiben könnte: Peter trennte sich von Ines, als die gemeinsame Tochter gerade zwei Jahre alt war. Seitdem ist die kleine Annika Machtinstrument. Aus jeder Terminabsprache wird ein Kampf. Als Peter mit Freunden und der inzwischen 13-jährigen Tochter zum Jahreswechsel auf Sylt urlaubt, kommen sich Vater und Tochter erstmals näher. Ein sehr persönliches Buch!
Dies ist kein ausgewogenes Buch, dies ist auch kein politisch-korrektes Buch, es ist ein Plädoyer für den Vater, engagiert, emotional, einseitig. Aber es stellt eine Realität da, die nur kennt, wer sie selber erfahren hat und die auch der Gesetzgeber nicht heilen kann.
Und damit widerspreche ich ausdrücklich all jenen Rezensenten von SZ und ich weiß nicht was sonst, die behaupten, das Buch sei überholt, seit das Bundesverfassungsgericht das gemeinsame Sorgerecht auch für unverheiratete Eltern einforderte.
Die rechtliche Seite ist die eine, die faktische die andere. Annika lebt bei Ines, die das alleinige Sorgerecht hat und die auch den Umgang nach Gutdünken regelt, dabei immer geschickt unter dem Radar des Jugendamts bleibend.
Der Vater bleibt seiner Tochter bei den regelmäßig-unregelmäßigen Besuchen fremd, er leidet darunter und an der fehlenden Auseinandersetzung mit der Ex-Freundin über inhaltliche Fragen. So erfährt er eher zufällig vom anstehenden Schulwechsel.
Peter erlebt all die Ohnmacht der getrennten Väter. Er zeigt Ines an beim Jugendamt, weil sie unter ihren ständig wechselnden Partnern auch mal einen hat, der die kleine Annika mit Drogen in Kontakt bringt. Und er wird immer wieder vom Jugendamt abgewimmelt, gemäß den alten Klischees: Sie die tapfere, alleinerziehende Mutter, er der Querulant.
Und doch gibt es Hoffnung: Erstmals in diesem Urlaub auf Sylt, wo die kleine Annika kein Kind mehr ist, sondern ein Teenager an der Schwelle zur Frau. Die verlorene Zeit des Vaters ohne seine Tochter ist nicht zurückzuholen, aber vielleicht bringt’s die Zukunft.
Dieses Buch musste geschrieben werden. All das, was hier geschildert wird, habe ich selbst erlebt und noch viel mehr. Dieses Buch musste auch so einseitig ausfallen, denn auch Väter brauchen eine Stimme. Eine Empfehlung von Herzen!
Bewertung: *****
Lieber Joachim,
deine Rezension macht mich wütend, denn ich habe das alles ganz anders wahrgenommen. Die Darstellung dieser sogenannten Väter, die sich immer selbst als die Opfer sehen, gehen mir tierisch auf den Senkel.
Ich wurde abgewickelt – um es einmal nett zu formulieren (wir Mütter sind ja die fairen, die versuchen, dass die Kinder trotz allem eine Bindung zum Erzeuger aufbauen können, wer auch immer dieser Trottel menschlich ist!), natürlich erst – wie es beim männlichen Geschlecht durchaus üblich ist, als Mrs. Next gefunden war. Mein Sohn war damals neun Monate alt. Beim Jugendamt erfuhr ich, dass der Erzeuger sich dieses Kind gar nicht gewünscht hatte. Schön, nicht? Die neue hatte zwei schulpflichtige Kinder und das „Glück“, dass ihr Mann verstorben war, sonst wäre es noch komplizierter für die armen Kinderseelen geworden.
Ich versuchte fair zu sein, mit dem Ergebnis, dass ich mich vor Gericht wiederfand und dort behandelt wurde wie eine Schwerverbrecherin, nur weil ich für meinen Sohn eine gewisse Regelmäßigkeit mit dem Vater vereinbaren wollte. Im Gerichtssaal nur Frauen, die alle schön zum armen, Vateropfer hielten. Ich kam mir vor wie im falschen Film. Mein Sohn war noch so klein und ich musste schon Angst haben, dass er mir abhanden kommen würde, nur weil so viele unzulängliche Menschen über unser beider Schicksal entscheiden durften. Die Zerrerei geht weiter, das nächste Kind ist schon da, alles wird komplizierter. Ich muss mit so vielen klarkommen: Ich muss mir die Geschichten der ANDEREN anhören, ob ich will oder nicht. Ich will keinen Kontakt zur neuen Familie des Vaters, werde aber dennoch bei den Übergaben immer – von seiner unsensiblen Seite – mit dem ganzen Attachment-Scheiß konfrontiert. Es geht mir so sehr auf die Nerven und ich sehne den Zeitpunkt herbei, wo die Zerrerei um Umgänge, Ferienaufenthalte aufhören, weil mein Sohn das entweder selbst regelt oder keine Zeit mehr hat oder nicht mehr will. Es wird um jede Sekunde verhandelt.
Ich warte auf ein Buch, geschrieben von einer Frau, die auch mal die andere Seite beleuchtet, wie sie durchaus auch sein kann. Aber wie ich die Sache sehe, werde ich lange darauf warten können, denn alleinerziehende Frauen sind erstens hart im Nehmen und jammern nicht gleich öffentlich herum, zweitens haben Sie keine Zeit und drittens wenig Geld. Die Zeit, die sie übrig haben neben Haushalt, Halbzeitjob und Kind investieren sie lieber in die Kinder. Vor diesen starken, tapferen und fairen Frauen liest man natürlich nichts in den einschlägigen Väter-Jammer-Foren. Es widert mich an, frag mal meine Freunde – auch die männlichen.
Ein Mann sollte sich bei der Familiengründung GANZ sicher sein, dass die Beziehung zumindest 15 Jahre hält. Wenn nicht, dann sollte er das Kinder zeugen einfach lassen. Tretet also bitte ENDLICH in den vielfach angekündigten Zeugungsstreik!!! Die Kinder können nichts für Eure Unzulänglichkeit!
Sei nett zu Deiner Ex,
Helga
Danke für Deine Offenheit.
Ich zweifle nicht daran, dass sich alles so abgespielt hat, aber es gibt eben auch andere Geschichten. Und es gibt wirklich Mütter, die ihre Kinder bei sich haben, sich einen Dreck um ihr Wohlergehen kümmern, den Unterhalt einkassieren, den Kontakt der Kinder zum Vater boykottieren und beim Jugendamt dicke Backen machen. Und so lang die Kinder nicht auffällig sind – sprich halb verhungert oder straffällig sind – bleiben die Behörden still.
Wobei ich mir sicher bin, Deine Geschichte kommt häufiger vor …