Oksana Sabuschko „Museum der vergessenen Geheimnisse“, 850 Seiten, 29,90 €, Droschl, ISBN: 978-3854207726;
Die Ukraine ist Europa, aber wer interessiert sich hierzulande schon für das ehemalige Ostblockland. Klar die (gescheiterte) „Orange Revolution“ ist noch in Erinnerung, aber ansonsten wird die Ukraine eher mit Mafia, Zwangsprostitution und dem Super-Gau von Tschernobyl identifiziert. Oksana Sabuschko zeigt auf über 800 Seiten, dass weit mehr dahintersteckt.
Sabuschko, 50, studierte Philosophin, ist die wichtigste Schriftstellerin ihres Landes, das noch immer unter dem Trauma von 70 Jahren Sowjetsozialismus leidet. Die alten Mythen und Traditionen wurden in der Sowjetunion unterdrückt, und so wurde das ganze Land zu einem „Museum der vergessenen Geheimnisse“.
Nichts anderes als eine Geschichte der Ukraine seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist nämlich dieser opulente Werk. Anhand der Lebensgeschichte von drei gänzlich unterschiedlichen Frauen lässt Sabuschko die verloren gegangene ukrainische Identität wieder aufleben – aber nicht als chronologischer Strom, sondern als unkontrolliert mäandernder Wildfluss, zwischen Zeiten, Orten und Geschichten. Die Lyrikerin lässt ihrem Temperament freien Lauf. Gut so!
Sie nimmt kein Blatt vor den Mund. Die Sowjetunion nennt sie „ein entsetzliches und aufregendes Experiment mit der menschlichen Natur“ und vergleicht sie mit dem nationalsozialistischen Deutschland. In ihren Recherchen ist die Autorin vorgegangen wie eine Historikerin, nur dass die Archive lückenhaft sind und sie sich intensiv mit Zeitzeugen befasste.
Und am Ende steht mehr Klarheit. Mehr kann ein Buch nicht leisten. Und ihre Landsleute in der Ukraine wissen diese Aufklärungsarbeit zu schätzen, wie der große Erfolg des Buches beweist.
Bewertung: *****