Ein nacherzählter Klassiker: Den ersten Teil von Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ hat Stéphane Heuet in einem 72-seitigen Comic nacherzählt. Ein interessanter Versuch: Auch wenn die Graphic Novel die Komplexität des Originals natürlich nicht annähernd erreicht, sie bietet immerhin einen Überblick.
14 Jahre hat der Zeichner Stéphane Heuet an dem Werk gearbeitet, ein wahrer Fan von Marcel Proust. Und er hat es geschafft, sich dem Dichter auch in der Komplexität und Atmosphäre des Stils anzunähern. Proust hatte sich in seinem berühmten Romanzyklus intensiv mit dem wichtigsten aller Themen auseinander gesetzt, der Liebe.
Eine Madeleine ist es, die Marcel, den Protagonisten des Romans, auf die eigene Spur setzt. Mit allen Sinnen forscht er zurück in seine Kindheit. Aufgewachsen in der Kleinstadt Combray in der Normandie hatte er die gesellschaftliche Zeitenwende, das Fin de siècle, miterlebt, den Konflikt zwischen altem Blutadel und neuem Geldadel.
In vielen Details setzt Zeichner Heuet die Technik des „Ligne Claire“ (Klare Linie). So erinnern die Zeichnungen bisweilen auch an „Tim und Struppi“, durch deren Schöpfer Hergé wurde dieser Stil populär. Prousts Gesellschaftskritik bringt er so eindrucksvoll rüber, scheitert aber an dessen komplexer Erzählweise und den Sprüngen zwischen den Zeitebenen.
Deshalb traf Heuet, der in seinem Heimatland inzwischen fünf Proust-Adaptionen veröffentlicht hat, der Bannstrahl der Literaturkritik. Zu Unrecht, denn einen Einstieg in Prousts Meisterwerk erlaubt die Graphic Novel in jedem Fall.
Bewertung: ****