Hartmut Pogge von Strandmann „Imperialismus vom Grünen Tisch“, 528 Seiten, 49,90 €, Ch. Links, ISBN: 978-3861535010;
Als die Welt schon verteilt war, da kamen dann endlich auch die Deutschen. Die europäischen Staaten hatten Amerika, Afrika, Asien und alle möglichen Inseln längst unter sich verteilt, als auch Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts zugriff. Die Motive dieser Außenpolitik und die Funktion des sogenannten Kolonialrats hat Hartmut Pogge von Strandmann untersucht.
Die Kernthese, dass die deutschen Expansionsbestrebungen nicht nur von Großmachtdenken, sondern auch von wirtschaftlichen Hoffnungen getrieben war, ist nicht neu. Dass die Bismarck’sche Regierung sich eine Art Gutachtergremium schuf, den aus Wirtschaftsvertretern bestehenden Kolonialrat, ist indes bislang wenig, wirft aber natürlich ein Schlaglicht auf die Kolonialisierungsmotive.
Bestes Beispiel ist Deutsch-Südwest, das heutige Namibia. Der Hamburger Reeder und Kaufmann Adolph Woermann baute in Swakopmund mit Kollegen einen Handelsstützpunkt auf und brauchte (militärischen) Schutz und logistische Hilfe bei der Expansion ins Landesinnere, wo bis dahin nur Missionare ihr Leben riskierten.
Woermann bekam nicht nur die Unterstützung aus Berlin, er durfte auch noch Soldaten, Siedler (und fortpflanzungswillige junge Frauen) mit hohem Profit nach Südwestafrika schaffen. Solche Verknüpfungen zwischen Politik und Wirtschaft waren selbst fürs Kaiserreich ungewöhnlich. Sie hatten auch eine politische Komponente. Kaiser und Reichskanzler konnten so den Reichstag umgehen.
Zu Recht in Anführungszeichen stehen im Untertitel des in Oxford/England forschenden Historikers die „zivilisatorischen Bemühungen“. Die hatten nicht gerade Hochkonjunktur, bestenfalls Missionare hatten so etwas wie einen humanen Anspruch im Umgang mit Ureinwohnern.
Eine spannende Forschungsarbeit, interessant für alle, die sich für Kolonialgeschichte interessieren. Mit größtem Interesse habe ich vor allem die Kapitel über das heutige Namibia gelesen und mich gefreut, dass es Pogge von Strandmann gelungen ist, auch für ein normales Publikum lesbar und lesenswert zu schreiben.
Bewertung: ****