Roberta Tatafiore „Einen Tod entwerfen“, 152 Seiten, 12,90 €, Edition Fototapeta, ISBN: 978-3940524096;
Am 8. April 2009 starb Roberta Tatafiore, nachdem sie einen tödlichen Cocktail aus Tabletten, Drogen und Alkohol getrunken hatte. Ein lange geplanter Tod. Am Neujahrstag hatte die italienische Feministin beschlossen, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Dieses Buch ist ihr Vermächtnis.
„Ohne Wunsch und Begehren, mehr schlecht als recht vor sich hinzuleben, scheint mir eine ziemlich elende Aussicht für eine, die den Tod ebenso liebt wie das Leben.“ Diesen Satz der Italienerin hat der Verlag quasi als Motto über das gut 100 Seiten starke Drei-Monats-Tagebuch gesetzt.
Es endet am 31. März mit einem Auszug aus Tolstois „Krieg und Frieden“ und einer letzten Erinnerung: „Wenn ich die großen Fenster offen halte, höre ich einen Pianisten, den ich nicht kenne, er ist gut, er übt etliche Stunden am Tag.“ Aus, Ende, Amen.
Darf man das, sich in einer solchen Weise umbringen? Natürlich! Und das Tagebuch dann posthum veröffentlichen? Vielleicht! Tatafiore war jedenfalls völlig klar, als sie ihren Tod beschloss. Sie war nicht krank und mit 66 Jahren auch nicht alt.
Aber eins war sie gleichwohl: isoliert, eine Außenseiterin. Die streitbare Publizistin hatte die Prostitution und die Folgen für die Frauen zu ihrem Thema gemacht. Sie hatte sich mit Männern angelegt, mit der Sex-Industrie, aber auch mit ihren feministischen Schwestern, den linken wie den rechten.
Hat sie sich also aus Verzweiflung umgebracht? Eine müßige Frage für ein eindrucksvolles, intimes Buch, in dem Tatafiore über ihren Tod schreibt und ihre Kindheit reflektiert, den Vater, der vor ihren Augen ermordet wurde, die Mutter, die sich ebenfalls umbrachte, die eigenen, immer wiederkehrenden Depressionen. Die Medikamente helfen aber nicht mehr, wie sie schreibt.
Ein eindrucksvolles, sehr intimes und in seiner Konsequenz verstörendes Lebensdokument.
Bewertung: ****
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