Nichts hat sich geändert auf der Wiesn

Thomas Wolfe „Oktoberfest“, 112 Seiten, 10 €, Manesse, ISBN: 978-371754083;

Heute beginnt das Oktoberfest: „… erkannten wir die Aussichtslosigkeit, dort einen Platz zu finden. Tausende von Menschen brüllten an den Tischen über ihrem Bier, und viele Hunderte wälzten sich unentweg auf und ab und hielten Ausschau nach einer Lücke.“ 1927, als der amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe, erstmals die Münchner Wiesn besuchte, ging’s dort genauso zu wie heute.

200 Jahre alt wird das größte Volksfest der Welt in diesem Jahr. Da ist es eine schöne Idee des Manesse-Verlag gewesen, Wolfes grandiose Reportage als zweisprachige Ausgabe wieder zu veröffentlichen, ergänzt durch ein einordnendes Nachwort von Herausgeber Horst-Maria Lauinger.

Thomas Wolfe, Sohn eines ausgewanderten Deutschen und aufgewachsen in North Carolina, würdigte die „germanische“ Seite in sich im Unterschied zu seinen Landsleuten damals, die mit Europa nicht so viel am Hut hatten. Wolfe liebte München, das er zuletzt 1936 besuchte. Zwei Mal, 1927/28, war er auf dem Oktoberfest – ein einschneidendes Erlebnis.

„München hat mich beinahe umgebracht“, schrieb er seiner Gönnerin und Geliebten Aline Bernstein in einem Brief. Nach dem Genuss von sieben oder acht Maß Bier, genauer konnte es der Dichter nicht mehr rekonstruieren, hatte er sich mit einigen Einheimischen angelegt und war blutig geschlagen worden. Bedeutende Ärzte kümmerten sich indes um seine Genesung, ein erneuter Beweis für die Gastfreundschaft, die Wolfe genoss.

All das, was Wolfe schreibt – teilweise aus der Perspektive eines Volkskundlers – erlebt man heute noch genauso auf der Wiesn. Besonders putzig sind Wolfes Schilderungen der Einheimischen, von deren Trachten er begeistert ist und deren Essgewohnheiten er – wenig schmeichelhaft –  mit denen von Tieren vergleicht: „Jedermann aß, jedermann trank“ und da nimmt sich der Autor nicht aus.

Eine brilliante, immer noch aktuelle Reportage des leider viel zu früh (1938) im Alter von 37 Jahren verstorbenen genialen Schriftstellers, dessen Hauptwerk „Schau heimwärts, Engel“ voriges Jahr ebenfalls in neuer Übersetzung erschien. Ein absolutes Muss für Fans der Wiesn!

Bewertung: ****

P.S.: Zum Abschluss der 200. Wiesn liest Udo Wachtveitl am Sonntag, 3. Oktober, um 11 Uhr im Herzkasperlzelt aus Thomas Wolfe „Oktoberfest“. Nicht versäumen.

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