Gerade ist Religion wieder einmal ein großes Thema: Der katholischen Kirche laufen scharenweise die Mitglieder davon, weil ein Missbrauchsskandal den anderen jagt. In Frankreich wird die Burka verboten, ein antimuslimischer Affront. Dem britischen Philosophen John Gray geht es allerdings um mehr als den „Clash of Cultures“.
Jegliche Art von Weltanschauung setzt Gray mit Religion gleich – Kommunismus und Kapitalismus gleich Hinduismus und Christentum, oder so. Insofern sei die westliche Idee, im Irak und sonstwo Demokratie einzuführen, nichts anderes als Missionierung – und zum Scheitern verurteilt. Und die Geschichte des 20. Jahrhunderts deutet er als Religionsgeschichte, eine sehr konfliktreiche natürlich.
Interessanter Gedanke: Demnach sind sämtliche Geistesrichtungen, angefangen bei den Jakobinern in der Französischen Revolution „Fortsetzungen der Religion mit anderen Mitteln“. Und die Konflikte der Gegenwart sind nur nominell Christentum contra Islam, sondern amerikanische Neokonservative contra Irans Ahmadinedschad.
Religionen empfindet Gray als größtes Übel unserer Zeit, verantwortlich für sämtliche Diktaturen und Massenverbrechen und die meisten Kriege des 20. Jahrhunderts. Grays Forderung ist denn doch ein wenig utopisch: Der Einfluss der Ideologien muss möglichst reduziert werden.
„Wahre Freunde der Erde träumen nicht davon, ihre weisen Verwalter zu werden, sondern von einer Zeit, in der es auf die Menschen nicht mehr ankommen wird“, das klingt ziemlich heftig. Und: Gray wendet sich mit Absolutheit gegen das „Geplapper von Gott, Unsterblichkeit und Menschheitsfortschritt“. Und so ist für den Philosophen längst bewiesen: „Je mehr die Hoffnung auf eine bessere Welt uns in Bann schlägt, desto mehr wird gemordet.“
Ein lohnenswertes Buch, eine interessante Analyse der heutigen Welt, sehr spannend, sehr schlüssig.
Bewertung: *****