Fritz B. Simon (Hrsg.) „Vor dem Spiel ist nach dem Spiel“, 192 Seiten, 19,95 €, Carl-Auer-Verlag, ISBN: 978-3896706928;
Der FC Bayern hat gerade die Champions-League verloren, da gibt es medial keine Wirtschaftskrise mehr und keine Bedrohung durch einen atomar aufgerüsteten Iran, und wo Griechenland ist … halt, die sind ja für Südafrika qualifiziert. Fußball, die angeblich schönste Nebensache der Welt, bewegt die Welt mehr als alles andere. Warum das so ist, verrät uns dieses Buch. „Vor dem Spiel ist nach dem Spiel“ ist d a s Buch zur WM.
Weise Sprüche über Fußball füllen ganze Bücher. Schlauer als Uwe Seeler hat es aber kaum jemand formuliert: „Das Geheimnis des Fußballs ist ja der Ball.“ Und doch gibt es viel zu sage über den Sport, aus der Perspektive der Systemtheorie und aus der des Konstruktivismus. 24 Wissenschaftler und andere Experten haben in diesem Buch den Fußball aus allen Facetten beleuchtet.
Und warum ausgerechnet Fußball? Norbert Bolz, Kommunikationsprofessor in Berlin, kennt die Antwort: „Männer sind Jäger, die man nicht mehr braucht. Und deshalb brauchen sie den Fußball.“ Als Mannschaftssport sei Fußball eine „Kooperation der Jäger“.
Entscheidend, so eine wenig überraschende, dafür aber statistisch belegte Erkenntnis, ist der Ballbesitz. Die Düsseldorfer Agentur Master Coach International hat ermittelt, dass es in 70 Prozent aller Fälle ein Tor gibt, „wenn der Ball nach seiner Eroberung mit nur zwei weiteren Berührungen im gegnerischen Strafraum landet“ – wie etwa beim 1:0 von Inter Mailand gegen den FC Bayern.
Der Fußball ist alles, mehr als nur Nebensache, wie Herausgeber Fritz B. Simon in seinem Vorwort hervorhebt. Fußball verbindet – Menschen, Kulturen, Systeme. Und als sich der Carl-Auer-Verlag zum 20. Geburtstag etwas schenken wollte, da kam man auf die Idee mit diesem Buch.
Zu Wort kommen neben Sozialwissenschaftlern auch Oliver Kahn (im Interview) und Eckart von Hirschhausen (über die medizinischen Gefahren des Kopfballs). Es geht um die Frage, warum Brasilien immer Weltmeister wird und wie entscheidend das Spiel ohne Ball ist. Das Schlusskapitel gehört dem 1998 verstorbenen Soziologen Niklas Luhmann; Titel: Der Fußball.
Und was lernen wir? Fußball wissenschaftlich zu erfassen, ist äußerst komplex. Ach was, eigentlich geht es gar nicht. Denn, so zitiert der psychologische Psychotherapeut Karl L. Holtz den früheren argentinistischen Nationalspieler Gabriel Batistuda: „Manchmal ergibt die Logik des Fußballs keinen Sinn.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. „Vor dem Spiel ist nach dem Spiel“ ist ein gelungener Wurf (fast schon ein erfolgreicher Elfer), und es vermag Verständnis für die Faszination Fußball auch bei jenen zu wecken, die bis heute nicht verstanden haben, was passives Abseits bedeutet und was daran toll ist, wenn 22 Spieler einem Ball nachlaufen.
Bewertung: *****
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