Daniel Siemens „Horst Wessel – Tod eines Nationalsozialisten“, 352 Seiten, 19,95 €, Siedler, ISBN: 978-3886809264;

Den Namen Horst Wessel hat jeder schon einmal gehört, und wenn’s im Geschichtsunterrricht war. Der mit 23 Jahren ermordete SA-Funktionär wurde von der NSDAP zur Symbolfigur verklärt und durch das (verbotene) „Horst-Wessel-Lied“ quasi unsterblich. Was dran ist an dem Mythos, das hat der Historiker und Journalist Daniel Siemens jetzt in einer lesenswerten  Untersuchung recherchiert.

Die Biografie des Pfarrerssohn ist ziemlich schlicht und typisch für die 20er Jahre. In berlin aufgewachsen scheiterte er als Jura-Student, schlug sich durch als Taxifahrer und als Hilfsarbeiter. 1926 trat er der NSDAP und der SA bei und wurde 1929 Sturmführer. Am 14. Januar 1930 schoss ihm ein KPD-Mitglied in den Kopf. Vier Wochen später starb er, nachdem er sich geweigert hatte, von einem jüdischen Arzt behandelt zu werden.

Ein Jahr vor seinem Tod hatte Wessel in der Parteizeitung „Der Angriff“ ein Kampfgedicht veröffentlicht: „Die Fahnen hoch, die Reihen dicht (zuerst: fest) geschlossen. Daraus wurde das „Horst-Wessel-Lied“. Für den „Märtyrer der Bewegung“ benannten die Nazis nach der Parteibernahme sogar den Berliner Bezirk Friedrichshain um, in „Horst-Wessel-Stadt“.

Literatur über den überzeugten Nationalsozialisten gibt es zwar nicht wenig, aber so intensiv wie Daniel Siemens hat sich bis jetzt noch niemand in dessen Biografie eingearbeitet. Er erzählt die Lebensgeschichte dieser gescheiterten Persönlichkeit wie eine Kriminalgeschichte und führt uns in die Gegend um die alte Schönhauser Allee.

In finsteren Kneipen traf sich dort allerlei Halb- und Unterwelt zu Molle und Korn. Huren bevölkerten die Gegend, und Morde waren an der Tagesordnung, auch politisch motivierte zwischen Roten und Braunen. Kommunisten und Nazis lieferten sich in dem Arbeiterviertel heftige Straßenschlachten.

Siemens bricht diese historischen Studien auf einen Jüngling runter, dem die SA die Möglichkeit zur Selbstbestätigung bietet, der eher lächerliche Verse schreibt, mit einer Nutte Bett und Wohnung teilt, sich durch die Gegend prügelt und schließlich ermordet wird, weil sich seine Vermieterin über dessen Freundin ärgert.

Das besondere an dieser Biografie ist, dass sie fast 80 Jahre nach dem Tod Wessels dessen wahre Geschichte aufrollt. Siemens war detektivmäßig unterwegs und  fand die entscheidenden Akten ausgerechnet im Stasi-Unterlagen-Archiv. Dort waren sie allerdings  unter einer falschen Registraturnummer abgelegt worden.

Die Geschichte des Horst Wessel fasziniert, weil sie so typisch erscheint.

Bewertung: ****


Short URL for this post: http://bit.ly/bK8LlYlang="de"> Der Mann, der durch ein Lied unsterblich wurde – Lauter Lesenswertes
Lauter Lesenswertes

Der Mann, der durch ein Lied unsterblich wurde

Diesen Beitrag bookmarken bei Diese Icons verlinken auf Bookmark Dienste bei denen Nutzer neue Inhalte finden und mit anderen teilen können.
Die mobile Version verlassen