Wer Kuba hört, denkt an Zigarren, Zuckerrohr und natürlich an Fidel Castro. Der Inselstaat ist ein Phänomen: 50 Jahre Revolution als Attraktion für Touristen und Selbstzweck für die eigenen Leute. Alma Guillermoprieto, gebürtige Mexikanerin und seit 20 Jahren hochangesehene Lateinamerika-Korrespondentin für den New Yorker, hat in diesem Buch ihre Erinnerungen an Havanna im Jahr 1970 aufgeschrieben – ehrlich, ungeschminkt und mit viel Bewunderung.
Damals, mit Anfang 20, hatte Guillermoprieto noch andere Berufspläne, als ausgerechnet Journalistin zu werden. Sie hatte in New York modernen Tanz gelernt und wollte ein Jahr lang in Havanna ihr Können weitergeben. Ohne Spiegel – daraus ergibt sich der Titel – musste sie mit ihren Schülern üben – eigentlich ein Unding.
Und alles ist politisch. Selbst der Tanz hat den Interessen der Partei zu dienen, erfährt die fassungslose Alma. Und gibt tiefe Einblicke, in ein Land, in dem „Revolution“ längst Selbstzweck ist und die Menschen unter Mangel leiden. Von wegen Volksrepublik: Im stolzen Hotel Nacional etwa residieren nur noch Sowjets und um im Restaurant essen zu gehen, sind acht Stunden Anstellen normal.
Alma, in Mexiko geboren und in New York aufgewachsen, leidet extrem unter den Umständen und der Umstellung – bis zu Suizidgedanken. Ihr persönliche Krise bringt aber auch den Umbruch: Sie wird sensibel für die Leiden und die Ungerechtigkeiten Lateinamerikas, träumt vom Zusammenbruch des Kapitalismus und schwärmt für Fidel Castro.
Der engagierten Journalistin ist ein bemerkenswerten Buch geglückt: Sie behält nämlich weitgehend Distanz zu sich und versucht mit einigem Erfolg, die Erinnerung nicht allzu sehr zu verklären. Sie geht überaus kritisch mit dem revolutionären Kuba um, vergisst aber nicht anzumerken, dass sie dabei subjektiv ist.
Insgesamt eine interessante Erinnerung und wie Perry Andersons Türkei-Betrachtung ein politisches Kleinod, wie sie der Berenberg-Verlag immer wieder verlegt.
Bewertung: ****