David Grossman „Eine Frau flieht vor einer Nachricht“, 736 Seiten, 24,95 €, Hanser, ISBN: 978-3446233973;

Machen wir uns nichts vor: Auch wir Deutschen leben inzwischen mit einem Krieg. Deutsche Soldaten töten und sterben in Afghanistan. In Israel indes ist dies im eigenen Land Alltag seit der Staatsgründung vor 50 Jahren. Und so schreitet dieser bewegende Roman eines israelischen Friedensaktivisten von Krieg zu Krieg, von Tragödie zu Tragödie.

David Grossman hat die Geschichte von Ora geschrieben. Mutter von zwei Söhnen, ihr Mann hat sie gerade verlassen gemeinsam mit dem Erstgeborenen. Es droht wieder einmal Krieg, der zweite Sohn will sich freiwillig zum Militär melden.

Und Ora, die Mutter, will nicht wie so viele Frauen in Israel warten, auf eine erlösende oder aber die Todesnachricht. Darum begibt sie sich auf eine lange Wanderung – in ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart – auf der sie begleitet wird, von Avram, ihrer alten Jugendliebe. Auch sie begegneten sich das erste Mal in einem Krieg, 1967im Sechstagekrieg mit Ägypten.

David Grossman, 1954 in Jerusalem geboren, hat eine klare Botschaft: Der Nah-Ost-Konflikt muss beendet werden, denn, so sagte er in einem Interview: „Die Tragödie ist, dass es hier zwei Opfer gibt: uns und die Palästinenser.“ Und beide verharrten in einer Opferhaltung, die jegliche Verhandlungsfortschritte verhinderten.

Die ganze Brutalität des Krieges beschreibt der Autor aus der Sicht der Mutter und der Gefährtin – auch die Ausweglosigkeit, sich der Gewaltspirale zu entziehen. Was passiert mit einer Gesellschaft, für die Verteidigungsbereitschaft längst Selbstzweck, ja Staatsziel ist? Wie verändert dies die Menschen? Wie zerstört dieser Zustand die Menschlichkeit und die Liebe?

Auf all diese Fragen antwortet Grossman in einer ungeheuer kraftvollen und zugleich zärtlichen Sprache. Die Größe dieses Buches wird erst richtig offenbar, wenn man es in Beziehung setzt zu Grossmans persönlicher Leidensgeschichte.

Als er anfing zu schreiben, beendete sein erstgeborener Sohn gerade den Wehrdienst, und mitten in der Arbeit an dem Buch starb der jüngere Sohn beim Kriegseinsatz im Libanon.  Hatte er zuvor noch naiv gehofft, sein Schreiben könne den Sohn schätzen, beendet er das Buch nach dem Tod des Sohns pflichtgemäß. Im Nachwort schreibt er: „Mehr als alles andere hat sich der Resonanzraum der Wirklichkeit verändert, in dem die letzte Version entstand.“

Bewertung: *****

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Lauter Lesenswertes

Die Angst vor der Todesmitteilung

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