Joachim Sartorius „Die Prinzeninseln“, 112 Seiten, 18 €, Mare, ISBN: 978-3866481169;

Es ist nur ein schmales Büchlein, aber es weckt mehr Gefühle als mancher große Roman: Der in Berlin lebende Lyriker Joachim Sartorius hat eine Liebeserklärung an die Prinzeninseln, jene Istanbul vorgelagerten Inseln, auf denen von jeher die reichen und mächtigen der Metropole ihren Sommersitz haben.

Kizil Adalar heißen die Prinzelinseln auf türkisch, aber Büyük Ada (die größte), Heybeli Ada und Burgaz Ada – um nur die drei größten zu nennen – haben auch griechische Namen: Prinkipo, Halki und Antigoni.

Und das kommt nicht von ungefähr: Denn die Inseln widerspiegeln seit 2000 Jahren die ungeheuer vielfältige Geschichte von Istanbul alias Byzanz alias Konstantinopel. Heute ist sie allerdings tatsächlich nur noch einen Katzensprung von der Metropole entfernt.

Eine Stunde dauert die Fahrt von der Anlegestelle unterhalb des Topkapi auf die der asiatischen Seite vorgelagerten Inseln. Allerlei Volk ist auf den Booten unterwegs, wie es Sartorius beschreibt. Fast geht es zu wie in einem Vorortbus. Das war früher noch anders, als es einen halben Tag dauerte, mit dem Ruderboot übergesetzt zu werden.

Nur ein paar Tage war ich kürzlich in Istanbul, zu kurz für einen Besuch auf den Prinzeninseln. Meine türkischen Begleiter aber erzählten immer wieder voller Ehrfurcht von den Inseln. Jetzt weiß ich warum. Geradezu verliebt erzählt Sartorius von den Menschen auf den Inseln, von den prächtigen Sommervillen und deren in den letzten 150 Jahren immer wieder wehselnden Besitzern.

Nicht als Journalist, auch nicht als Reiseschriftsteller, sondern am ehesten noch als präzise beobachtender Tourist, dessen eigentliche Heimat ganz woanders ist, erzählt der ehemalige Diplomat von seinem Besuch auf der Insel und von türkischer Lebenslust und vom griechisch-orthodoxen Vermächtnis, etwa dem Kloster Hagia Triada auf Heybeli:

„Der Blick von dort aus erhebt den Geist und verleiht mir Flügel. Ich überblicke die Welt, Wasser und Inseln und Schiffe und Städte und Menschen und Asien und Europa in einem gewaltigen Panorama, Stille und weite zerreißen die Augen. Hier ist wirklich der Balkon der Welt.“

Bis heute sind auf den Inseln ausschließlich Pferdedroschken und Fahrräder erlaubt. Auch das erhält ihnen ihnen ihren fast zeitlosen Charme. Und die Kneipe, in der sich der Autor mit den (hoch gebildeten) Istanbuler Sommerfrischlern – zum Essen, zum (Raki-) Trinken und zum Philosophieren über die Welt- repräsentiert türkische Lebensart.

Joachim Sartorius, der sich aus seiner Diplomatenzeit in Ankara noch Bruchstücke der türkischen Sprache erhalten hat, ist ein poetisches Buch gelungen, das Lust macht. Oder, wie es Nobelpreisträger Orhan Pamuk schreibt:

„Für mich, der ich viele Sommer auf den Prinzeninseln verbrachte, ist dieses Buch der hinreißende Bericht von der Betörung eines Dichters durch die Landschaft, das Licht und die Menschen dieser Inselwelt.“

Beim nächsten Mal in Istanbul wird genug Zeit sein für die Prinzeninseln, ganz gewiss.

Bewertung: *****

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Lauter Lesenswertes

Liebeserklärung an den Balkon der Welt

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