Mahmud Doulatabadi „Der Colonel“, 222 Seiten, 19,90 €, Union, ISBN: 978-3293004023;
Der Iran ist aus westlicher Perspektive ein rätselhaftes Land: Gesegnet mit einer uralten Kultur, radikal, provokativ, zerrissen zwischen Mittelalter und Moderne, sowohl Demokratie wie auch Diktatur. Doulatabadis „Der Colonel“ ist ebenso klar wie unerträglich für die Zensurbehörde. Die vorliegende Übersetzung ist die Erstausgabe des Romans.
1979: Die fünf Kinder des Colonels der Schah-Armee widmen sich der Revolution. Ein Jahr später räumen die Ayatollahs in den eigenen Reihen auf, die Kinder des Offiziers fallen dem zum Opfer. In der Rückschau versucht der Ich-Erzähler das Unerklärliche zu erklären.
Ob nach NS-Diktatur, SED-Staat oder auch dem Iran – durch eine Revolution ändern sich die Ideologien nicht die Menschen. Davon erzählt Doulatabadi, vom verzweifelten Kampf seiner Generation nach dem Rauswurf des Schahs eine bessere Gesellschaft zu schaffen.
Am Ende steht dann der rückwärts gewandte muslimische Unterdrückungsstaat, aus dem sich die Iraner erst diesen Sommer, nach 30 Jahren, vergeblich zu befreien versuchten.
„Der Colonel“ ist ein hochpolitisches Buch, obwohl die Politik vordergründig nicht vorkommt. Geheimpolizisten und Folterknechte, die nur die Seite wechseln, eine chaotische Politik, das Wetter so düster wie die Verhältnisse.
Und dabei spielt der Roman, an dem Doulatabadi 25 Jahre arbeitete, an einem einzigen Tag. „Alles, was ich in meinem Leben erlebt habe, ist wie zu einem einzigen Augenblick zusammengeschrumpft“, heißt es da. Der Colonel weiter: „Ist dieses Land dem Selbstmord verfallen? … Sie rufen: Rettung und Gesundung!, und treiben dich ins Verderben.“
Der Roman des heutigen Persiens, ein Buch so vielschichtig wie dieses faszinierende Land.
Bewertung: *****
P.S.: Anerkennenswert ist das sehr informative Nachwort von Übersetzer Bahman Nirumand. Es erklärt viele für westliche Leser unbekannte Zusammenhänge.
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