Maria E. Brunner „Indien. Ein Geruch“, 88 Seiten, 19,50 €, Folio, ISBN: 978-3852564746;

Naja, für einen Bildband ist dieses Buch etwas schmalbrüstig, es hat auch nur ein halbes Dutzend Fotos, schwarze-weiße noch dazu. Und trotzdem gehört „Indien.Ein Geruch“ in dieses Spezial. Denn jede Zeile, jede Seite, jedes Kapitel ist ein Bild. „Incredible India“, der Werbeslogan der Fremdenverkehrszentrale, bekommt eine ganz andere Bedeutung.

„Indien kennt kein Mitleid“, immer wieder schreibt die gebürtige Südtirolerin Brunner dies. Wenn man akzeptiert hat, dass das Weinen eines misshandelten Kindes nicht anders wirkt als das Hupen auf der Straße. Dann hat man Indien verstanden.“

In zehn Kapiteln oder besser Bilder blickt Brunner auf Indien, nicht von oben, wie eine Kolonialistin, sondern auf Straßenniveau oder schöner formuliert: auf Augenhöhe. Man könnte sagen, Brunner ist gnadenlos, aber eigentlich ist sie nur gnadenlos ehrlich und zeigt ein Indien, abseits der Hochglanz-Prospekte.

„Es ist ein Geruch, der Indien ausmacht. Moder. Meer. Rauch. Abgase. Aasgeruch.“ Die journalistisch-knappen Reflexionen produzieren Ekel ebenso wie Irritation: Wie können Menschen so leben? Brunner kehrt aber auch die Perspektive um und behauptet: Inder können auch nicht so leben wie wir Europäer.

Das Jenseits macht den Unterschied. Der Glaube an die Wanderung der Seele lässt die „Unberührbaren“ in den Slums der hierzulande völlig unbekannten Millionenstadt Vadodara oder auch in der einstigen Bhagwhan-Kapitale Pune das Hier und Jetzt klaglos ertragen, den Dreck, den Hunger, die Krankheiten, die Ausbeutung.

Nie habe ich Realistischeres gelesen über dieses so eindrucksvolle Land als diese fast lakonisch wirkenden Reportagen, die den Menschen noch dazu ihre Würde lässt. Mehr kann ein Bildband nicht leisten.

Bewertung: *****

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Lauter Lesenswertes

Indien, wie es wirklich ist

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