Ich gebe zu, dieser Roman interessierte mich aus zwei Gründen, die naiv erscheinen mögen: Zum einen der Verlag Liebeskind, an dessen Schaufenster ich bei meinen regelmäßigen Spaziergängen durchs Münchner Glockenbachviertel immer wieder vorbeikomme, und zum anderen weil der Name der Autorin auf eine jüdische Herkunft schließen lässt.
Eine Überlebende der Shoah ist die Französin Cécile Wajsbrot im direkten Sinne nicht: Ihre Familie emigrierte schon vor dem Holocaust nach Frankreich, und doch geht es auch in diesem poetischen Roman um Flucht, Vertreibung, um den Verlust der Heimat – ein Trauma, das oft nach Generationen nicht überwunden ist, wie auch die israelische Autorin Lizzie Doron in ihrem „Der Anfang von etwas Schönem“ eindrucksvoll dargestellt hat.
Die junge Frau, die im Mittelpunkt des Romans steht, versucht es jedenfalls. Sie will nach Osten reisen, in die polnische Heimat ihrer Großeltern, um all die dunklen Geheimnisse, die sich wie ein Schatten über ihre Familie gesenkt haben, ans Licht zu holen.
Die Reise nach Osten ist Symbol für die Reise nach innen. All die Bedenken, die Ängste, die die junge Frau schon quälen, als sie am Bahnsteig auf den verspäteten Nachtzug nach Warschau wartet.
Einmal fremd, immer fremd – die Heimat ist nur noch eine unerträgliche Illusion. Am deutlichsten offenbart dies der Vater der Reisenden, den das Vergessen befallen hat – in Form einer Alzheimer-Erkrankung – und hat damit die Last der Auseinandersetzung seiner Tochter überlassen.
Cécile Wajsbrot hat eigenes Erleben in diesem Roman verarbeitet, eigene Gefühle – was den inneren Dialog verdichtet und die in Schweigen gefasste Unfassbarkeit bei aller Authenzität bisweilen unerträglich schwer werden lässt.
Ein Schicksal, das für so viele steht, ob es nun die Vertriebenen aus ehemals deutschen Ostgebieten sind oder auch die Nachkommen der türkischen Arbeitsimmigranten. Aber deren Gefühle müssen erst noch beschrieben werden.
Bewertung:
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