Dass nach dem Ende des Dritten Reiches deutsche Juden aus dem Exil wieder in die frühere Heimat zurückkehrten, erscheint unglaublich. Denn die junge Bundesrepublik war in ihrem Innern alles anderes als judenfreundlich. Auf einer Tagung in Hamburg 2006 entstanden die Beiträge für dieses wichtige zeitgeschichtliche Werk.
„Wolfratshausen ist judenfrei“ verkündeten die Nationalsozialisten schon Mitte der 30r Jahre in meiner Heimatstadt. Und tatsächlich gab es spätestens 1939 selbst in so einem unbedeutenden Nest wie Wolfratshausen keine Juden mehr.
Nach dem Krieg richtete die US-Regierung ausgerechnet hier ihr größtes jüdisches DP-Lager ein, mit bis zu 6000 Bewohner, vor allem aus Osteuropa. Bis 1955 waren die meisten nach Israel oder die USA ausgewandert, die wenigsten blieben hier in Deutschland – und das meist auch nur, weil sie aufgrund ihres Gesundheitszustands nicht anders konnten (Mehr dazu hier).
Warum ich dies erzähle? Weil die in „Auch in Deutschland …“ erzählen Geschichten viele Parallelen zu den Schicksalen der unfreiwilligen Wolfratshauser haben. Von der einheimischen Bevölkerung wurden sie nicht geachtet, sie fühlten sich hier nicht zu Hause – ähnlich wie die Rückkehrer, von denen die Geschichtsprofessoren von der Lühe, Schildt und Schüler-Sprigorum schreiben.
Vielfach waren es Intellektuelle, die in der Heimat neu anfingen, zurückgerufen zum Beispiel vom SPD-Politiker Kurt Schumacher, der damit Schuld tilgen und ein neues Deutschland aufbauen wollte. Und doch wagten es die wenigsten Remigranten, sich zu ihrer eigenen Herkunft zu bekennen.
Ein spannendes, ein überfälliges Buch über eine Geschichte, die noch nicht zuende ist. Als 20 Jahre nach Kriegsende die Schriftstellerin Nelly Sachs den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen bekam, da rühmte die Jury, dass diese „ohne Widerspruch“ mit ihrem Werk „Deutsches und Jüdisches versöhnt“ habe. Der reine Euphemismus: Wie soll so etwas überhaupt möglich sein?
Bewertung: ****
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