Junot Díaz „Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao“, 384 Seiten, 19,95 €, S. Fischer, ISBN: 978-3100139207;
Was verbindet man gemehinhin mit dem Begriff Nerd? Richtig, ein pickeliger Junge, fett gefressen mit Fast-Food, Tag und Nacht am Computer und damit ohne soziale Kontakte. Oscar Wao (oder heißt er eigentlich Oscar Wild?) ist so ein Bursche – ein Science-Fiction-Freak, der alle Folgen von Raumschiff Enterprise nachspielen kann und am PC elbisch gelernt hat – was bekanntlich im „Herrn der Ringe“ gesprochen wird.
Der in Boston (als Literaturdozent) und in New York (als Schriftsteller) lebende Junot Diaz hat mit seinem Wao-oman für riesiges Aufsehen gesorgt. Endlich einer, der über lateinamerikanische Immigranten aus der Innenperspektive schreibt und so, wie diese sich füllen. Das zeigt sich in der Fäkalien nicht scheuenden Sprache, aber auch durch die tiefen Einblicke in das Seelenleben dieses Außenseiters, der nichts so gerne hätte wie ein Mädchen.
„Er war eine Vollniete im Sport, im Domino genauso, grobmotorisch wie ein Klotz und warf wie ein Mädchen. Hatte keinen Sinn für Musik oder Deals oder Tanzen, keinen Biss, keinen Stil, keine Chancen bei Frauen“, heißt es über den Computerfreak.
Und ganz nebenbei liefert Wao auch noch kenntnisreiche Einblicke (in langen Fußnoten) in die Geschichte seines Geburtslandes, der Dominikanischen Republik. Das heutige All-Inklusive-Karibik-Billigurlauber-Paradies hat eine gewaltvolle Geschichte.
30 Jahre lang, bis 1961 regierte Diktator Trujillo, im Roman kurz „Fickfresse“ genannt, und unterdrückte das Volk mit großer Brutalität. Waos Familie war eines seiner Opfer, nur dessen Mutter überlebte und ging in die USA. Daraus erklärt sich auch deren im Roman bisweilen unerträglicher Hass auf Männer und alles andere.
Das alles klingt furchtbar tragisch, ist es auch, aber nicht nur. Denn mich faszinierte in diesem tiefgründigen 400-Seiten-Epos vor allem die Komik, die Selbstironie, mit der dieses Immigranten-Schicksal erzählt wird. Es gibt viel zu lachen.
Die Jury des Pulitzerpreises hat mit ihrer Entscheidung für diesen Roman Klasse bewiesen. Wem „Oscar Wao“ gefällt, der möge sich auch die deutsch-russiche Groteske „Scherbenpark“ von Alina Bronsky vornehmen, die inzwischen auch als Taschenbuch erhältlich ist.
Bewertung: *****
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