Wer Bulgarien hört, denkt gemeinhin an Korruption, Armut und Schwarzarbeit. Der Balkan-Staat gilt als der Paria der EU. Sibylle Lewitscharoff entwirft in ihrem jüngsten Roman ein anderes Bild vom Land ihrer Vorväter – und wurde dafür heuer mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.
„Apostoloff“ ist ein Roadmovie durch das wilde Bulgarien, „ein grauenhaftes Land – nein, weniger dramtisch: ein albernes und schlimmes“, wie’s heißt. Zwei Schwestern als Touristinnen, ihr Chauffeur ist Rumen Apostoloff, der Titelheld. Aber eigentlich ist er gar kein Held, sondern ein Fremdenführer, der den zynischen Schwestern die schönsten Seiten seiner Heimat zeigen möchte.
Der Anlass für die Reise der beiden Schwestern – eine durchgeknallter als die andere – ist kein touristischer. Sie haben in einem Konvoi von 19 Leichen die Überreste ihres Vaters überführt, der in den 40er Jahren nach Stuttgart ausgewandert war und sich trotz beruflichen Erfolgs erhängt hatte.
Der tyrannische Vater erscheint den beiden Frauen – die jüngere trägt unverkennbar autobiografische Züge – immer wieder in ihren Träumen, transportiert ihren Hass, der zum Hass auf seine Heimat wird, die nicht ihre Heimat ist, aber es werden soll.
„Verbaut, verpatzt, verdreckt. Das aschgraue Meer – leergefischt. Das bulgarische Essen? Ein in schlechtem Öl ersoffener Matsch. Der Fisch ein verkokelter Witzfisch. Bulgarische Kunst im zwanzigsten Jahrhundert? Abscheulich, und zwar ohne jede Ausnahme. Die Architektur sofern nicht Klöster, Moscheen oder Handelshäuser aus dem neunzehnten Jahrhundert? Ein Verbrechen“, nein für einen Fremdenverkehrsprospekt taugen Lewitscharoffs Schilderungen der postsowjetischen Realität Bulgariens nicht.
Aber sie lesen sich wunderbar, bringen einem immer wieder zum Lachen, auch wenn der atmosphärisch-dichte, nicht eben politisch-korrekte Roman gerade keine Lektüre für laue Sommerabende ist. wenn „Apostoloff“ die Aufarbeitung einer verkorksten Vater-Tochter-Beziehung ist, dann ist sie äußerst eindrucksvoll.
Bewertung: *****
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