Michal Hvorecky „Eskorta“, 256 Seiten, 19,90 €, Tropen, ISBN: 978-3608501025;
So fulminant erzählt sein erster Roman „City“ war, so abgeklärt ist nun Hroveckys neuer Roman über einen entfesselten Kapitalismus und die Zukunft Osteuropas, oder – wie die These des 1976 geborenen Slowaken lautet: Der Osten ist der neue Westen!
Abgedreht ist er, der slowakische Callboy Michal Kirchner, der hier aus seinem Leben erzählt. Schon der böhmische Großvater, 1887 im „k & k-Reich“ geboren, lebte sein Schwulsein offen aus. Als die Nazis die Tschechoslowakei besetzten, heiratete er zur Tarnung zwar noch (eine bekennende Lesbe) und zeugte einen Sohn. Vor Auschwitz bewahrte ihn dies aber nicht.
Auch der nächste Kirchner ist homosexuell, wird Kommunist in der CSSR, sucht nach dem Scheitern des Prager Frühlings die innergesellschaftliche Freiheit, wird als Schwuler ausgegrenzt, heiratet ebenfalls eine Lesbe und zeugt ebenfalls einen Sohn, jenen Michal, Jahrgang 1973.
Dies ist die phantastische Rahmengeschichte, auf der Hvoreckys schelmenhafter Roman basiert. Eine Geschichte aus dem Bilderbuch oder ist es ein Hochglanz-Katalog, voll mit allen denkbaren Klischees. In einem Katalog findet sich denn auch Michal wieder, dem des Begleitservices „Eskorta“ in Bratislava.
Und dort erlebt er den Konsum bestimmten Aufbruch Osteuropas nach dem Fall der Mauer in voller Härte mit, ist Subjekt der Begierde westlicher „Invasoren“. Er wird drogensüchtig und landet als Werbetexter in Berlin. Grotesk dies alles, amüsant und noch dazu sehr politisch in seinem betonten Unpolitischsein.
Schade nur, dass die bisweilen banale, oftmals kitschige Sprache und die einfach nur platten Beschreibungen von Sex-Szenen nicht zu der eigentlich furiosen Geschichte passen. Diese Mängel reduzieren den Spaß an die Groteske doch ganz erheblich.
Bewertung: ***
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