Oliver Storz „Die Freibadclique“, 256 Seiten, 19,80 €, Schirmer-Graf, ISBN: 978-3865550576;
Die vergessene Jugend, Jugend ohne Jugend – so werden die Angehörigen der Jahrgänge 1928/29 heute genannt. Sie wurden in Kriegszeiten groß und in den letzten Kriegstagen als 16-Jährige im „Volkssturm“ verheizt. Der in der schwäbischen Provinz aufgewachsene Oliver Storz überlebte – mit Glück und Chuzpe.
„Die Freibadclique“ ist wie ein Film erzählt, luftig leicht, aus der Perspektive des 16-jährigen Knaben. Er hat Mädchen im Kopf und Mädchen und Mädchen, mit Krieg, Drill und Schikanen hat er nichts zu tun. Er stört auf Swing, den er im Feindsender hört und nimmt Lale Andersen nur nebenbei wahr.
Als der Krieg zuende ist, sind zwei seiner Kameraden tot, aber der Ich-Erzähler hat genauso überlebt, wie der zwischenzeitig verschwundene „Knuffke“, ein Berliner, der nach seiner Ausbombung im „Freibad“ landet. Und unser Ich-Erzähler war rechtzeitig getürmt, bevor es ernst wurde.
Ein Alterskamerad, der nur 30 Kilometer südlich des heutigen Deiningers Storz lebt und aufgewachsen ist, der Bad Tölzer Gregor Dorfmeister hatte eine ähnliche Jugend. Er entkam dem „Volkssturm“ aber nicht, kämpfte gegen die Amerikaner, überlebte nur knapp und schrieb dann vor über 50 Jahren ein berühmtes Buch, dessen Verfilmung durch Bernhard Wicki Weltruhm erlangte: „Die Brücke“.
Unterschiedlicher als von Dorfmeister und Storz können die letzten Kriegstage nicht erzählt werden. Storz, der am Donnerstag 80 Jahre alt wird, genießt im Gegensatz zum atemlosen Dorfmeister das Privileg der Distanz von über 60 Jahren und das Verblassen der Erinnerungen, das ihm immer wieder dichterische Freiheiten lässt. „Die Freibadclique“ ist ein Roman, keine Autobiografie.
Im Wust der Erinnerungsliteratur der letzten Jahre ist dieses Buch außergewöhnlich – nicht zuletzt durch den luftigen Schreibstil des erfolgreichen Drehbuchautors und Regisseurs.
Storz verklärt nicht, er bringt vor allem die Unbekümmertheit der Jugend rüber, auch wenn dem einen oder anderen die schwülstigen Gedanken missfallen mögen, die in ihrer Direktheit so gar nicht in die damalige Zeit zu passen scheinen.
„Die Freibadclique“ repräsentiert die Generation, die unsere Gesellschaft aufgebaut hat, mit all ihren kriegsbedingten Defiziten. „Bleibt übrig“ heißt der zynische Abschiedsgruß in den letzten Kriegswochen. Die Unbeschwertheit war dahin. Der lockere Erzählstil ist eine Täuschung, pure Verdrängung.
Bewertung: *****
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